Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2012 European Film College: eine Filmschule zwischen Euphorie und Melancholie
European Film College: eine Filmschule zwischen Euphorie und Melancholie PDF Drucken E-Mail
Sommermorgen
Sommermorgen
alle Foto: Mette Damgaard-Sýrensen

Als ich das Angebot bekam, die Bereichsleitung Produktion am European Film College zu übernehmen, habe ich nicht lange gezögert, sondern gleich begonnen, mein Leben in Hamburg in Umzugskartons zu verpacken. Ich wollte herausfinden, ob mir das Unterrichten an einer Filmschule und das Leben in Dänemark Spaß machen würde. Das European Film College erstreckt sich seit 20 Jahren auf einem Hügelkamm, umgeben von Wäldern, Wiesen und Meer und schaut auf das kleine, im Winter verschlafene Örtchen Ebeltoft mit seinen 8.000 Einwohnern. Ebeltoft liegt im äußersten Zipfel von Jütland nicht weit von Aarhus und direkt am Meer. Das Wetter hier ist nicht immer einladend: viel Regen, Wind und grau, aber dafür sind die meisten Dänen umso fröhlicher.

Die Schule hat sich mittlerweile einen sehr guten Ruf erarbeitet und auch 2012 war ein erfolgreiches Jahr für ehemalige EFC Studenten: Mads Mathiesen gewann mit seinem Debut Film Teddy Bear beim Sundance Festival und wurde gerade für einen European Award nominiert. Auch für NikolajArcel und Rasmus Heisterberg war 2012 ein gutes Jahr, sie gewannen den Silbernen Bären für ihr Drehbuch für den Film A royal affair.

Auch die Gastdozenten lesen sich wie ein Who is who in der Filmszene: Jan Harlan (Producer von Stanley Kubrick), Lone Scherfig, Joshua Oppenheimer, Guy Davidi, Fatima Geza Abdollahyan, Wim Wenders und Thomas Vinterberg, um nur ein paar zu nennen.

Das Hauptgebäude des EFC
Das Hauptgebäude des EFC

Leben auf dem Campus
Die Ausstattung für die 115 internationalen Studenten aus aller Welt ist sehr gut: interessante Gastdozenten, neue HD Kameras, ein riesiges Studio mit Greenscreen, zwei Kinos, Licht, Avid Schnittplätze und Lehrer, die gleich um die Ecke wohnen und somit fast immer zu erreichen sind. Und das ist auch das Außergewöhnliche am European Film College: die Studenten sowie die Lehrer wohnen auf dem Campusgelände und so dreht sich hier oben auf dem Filmschulberg auch meistens alles um Film. Da alle so nah beieinander wohnen, herrscht ein ausgelassenes Miteinander und oft werden über dem gemeinsamen Essen in der Kantine oder bei Freizeitveranstaltungen neue Ideen für Filme ausgetauscht und besprochen.

Auch für meine eigenen Projekte hab ich von Studenten und Kollegen schon viele neue Impulse bekommen. Im Studio werde ich immer wieder überrascht, wie professionell die von den Studenten selbst gebauten Sets aussehen. Eine Gefängniszelle oder ein Büro aus den 60ern wird mit Hilfe der Handwerker der Schule mal schnell aufgebaut und eingerichtet für einen der über 100 Filme, die hier in den 8,5 Monaten gedreht werden. Von Animation bis Dokumentation, über Experimental- und Kurzspielfilm ist alles dabei.

Doch wie meistens im Leben war der Anfang etwas schwieriger als erwartet. Meine Katze hasste Dänemark, die riesige Wohnung, in der meine Möbel komplett verloren gingen war nicht mehr so gemütlich wie meine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung in Eimsbüttel, das Bett viel zu weich, meine Freunde weit weg, kein Asiaimbiß um die Ecke, viel Bürokratie, keine Straßenbeleuchtung und Dänisch für mich ziemlich unverständlich.

Auch nahmen mich die vielen Studenten anfangs komplett in Anspruch und ich hatte kaum Zeit, mich in der neuen Umgebung einzuleben. Das Unterrichten des Produktionskurses stellte mich vor neue Herausforderungen, den manchmal trockenen Stoff interessant und für alle verständlich zu präsentieren, denn die Studenten kommen mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen, was das Unterrichten nicht einfacher macht. Aber dann stellte ich mich langsam auf die unterschiedlichen Studenten ein, verpackte Informationen anders, zeigte den Produktionsstudenten viele Filme der Hamburg Media School, wo ich selber studiert habe und lebte mich ein. Ich fing an, ein paar Wörter Dänisch zu lernen, organisierte Abende für die Studenten im Ebeltoft Jazz Klub (der wirklich tolle Konzerte organisiert), fand einen verschlafenen, kleinen Reiterhof und fing wieder mit dem Reiten an. Und auf einmal wurden aus Studenten und Kollegen Freunde und auch innerhalb des kleinen Ortes fing ich an, neue Kontakte zu knüpfen. Und so wurde Dänemark langsam mein neues Zuhause.

Und für den nächsten Sommer plane ich im Moment meinen ersten Langfilm made in Ebeltoft: Stranded, eine Geschichte in dem es um verschiedene Charaktere geht, die in einem kleinen Örtchen mitten in der Dänischen Landschaft gestrandet sind und aus unterschiedlichen Gründen es nicht schaffen, den Ort zu verlassen um ihre Träume zu verwirklichen, bis eines Tages eine Stewardess in dem keinen Ort auftaucht... Ich habe mittlerweile herausgefunden, wie viel Spaß es mir macht, mit den Studenten an ihren Geschichten zu arbeiten und ihnen zu helfen, ihre eigene Stimme zu finden. Die Studenten erzählen ganz unterschiedliche Geschichten und doch ähneln sie sich alle ein bisschen, sie handeln von fremden Kulturen, Wünschen und Hoffnungen. Wenn die Studenten ihre eigenen Geschichten auf der riesigen Leinwand sehen, berührt mich ihre Euphorie und die verschämt weggewischten Freudentränen immer wieder und ich bin richtig froh hier zu sein.

Miriam Thiel
www.europeanfilmcollege.com
www.b-story-productions.de
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 11. Dezember 2012 um 13:46 Uhr