Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2014 Lohnender Besuch im Kloster - 4. Film- und Medienforum mit vielen Impulsen
Lohnender Besuch im Kloster - 4. Film- und Medienforum mit vielen Impulsen PDF Drucken E-Mail
Spannende Diskussionen und kreativer Austausch haben auch das 4. Film- und Medienforum Niedersachsen zu einer interessanten Begegnung zwischen ProduzentInnen, TV-RedateurInnen, Medienwissenschaftlern, AutorInnen, FilmemacherInnen, Kulturakteuren, Medienpädagogen und Vertretern aus Politik und Filmförderung werden lassen, die in der charmanten Atmosphäre des mittelalterlichen Klosters Lüne in Lüneburg von brandaktuellen Themen der Film- und Medienbranche geprägt war.

Die umfangreiche Themenpalette eröffneten am 14.11. drei Vertreter der Leuphana Universität Lüneburg. Dabei ging es um die gesellschaftliche Debatte über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Modelle für die Aufsicht dieses Systems, um das Urheberrecht im digitalen Zeitalter und um die Kommunikation zur Bundestagswahl auf Twitter.

Mitten hinein in die laufende Diskussion um den geplanten Jugendkanal der öffentlich- rechtlichen Sender, der wenige Tage zuvor auf der Konferenz der Ministerpräsidenten aus finanziellen Überlegungen heraus völlig überraschend zunächst abgelehnt worden ist, war einer der inhaltlichen Schwerpunkte des 4. Film- und Medienforums die Suche nach neuen Formaten und Programminhalten für die jüngere Generation, die dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen immer mehr den Rücken kehrt.

TV-Nutzung Jugendlicher

Alexander von Harling, Programmchef von EinsPlus, dem digitalen TV-Sender der ARD, der unter Federführung des SWR seit April 2012 mittels neuer Formate in der Primetime gezielt versucht, die Altersgruppe der 14 - 29 Jährigen anzusprechen und seit September 2013 sein Programmangebot für junge Zuschauer auf 16 Stunden täglich ausgeweitet hat, stellte anschaulich die Bemühungen seines Senders vor. Die Dringlichkeit inhaltlicher Umstrukturierungen des Programms verdeutlichte er auch vor dem Hintergrund der Ergebnisse der ARD/ZDF Online Studie von 2013 und der Studie des SWR hierzu von 2012, die beide zeigen, dass die Fernsehnutzung der jüngeren Generation gleichbleibend hoch ist und tendenziell sogar noch ansteigt, sich ihre Nutzungsgewohnheiten aber radikal geändert haben.

Da die jungen Zuschauer nach den Ergebnissen dieser Studien zu 100% online auf verschiedenen Endgeräten zeitversetzt fernsehen, müsse das Programmangebot nicht nur inhaltlich neue Akzente setzen und sich hierbei an den Lebenswelten der Jüngeren orientieren, sondern auch durch neue, spartenübergreifende, crossmediale Produktionsweisen den jungen Zuschauern entgegenkommen.

Eng mit der Medienforschung vernetzt werden vom SWR daher einzelne Formate intensiv geprüft, die von ausschließlich jungen Autoren entwickelt und von der angepeilten Zielgruppe dann beurteilt werden. Ein neuer Schwerpunkt sollen hierbei Events werden, wie von Harling betonte, und das zunehmende Angebot fiktionaler Stoffe, die allerdings nicht selbst produziert, sondern nur auf dem Lizenzweg Eingang in das Programmangebot finden werden.

Selbst produzierte fiktionale Stoffe für das jüngere Publikum stellte hingegen Ole Kampovski, Leiter der Abteilung Kinder & Jugend beim NDR Fernsehen, mit den nationalen und internationalen Koproduktionen Allein gegen die Zeit und In Your Dreams vor. Letztere wurde als 26-teilige Jugendserie unter Federführung des NDR in Norddeutschland und Australien produziert, im KIKA gesendet und - da es auch auf die internationale Verwertbarkeit ankam - mit großem Erfolg in verschiedene Länder verkauft. Da man vorher schlecht abschätzen könne, wie die Serien bei den Jugendlichen ankämen, sei die Produktion solcher fiktionalen Stoffe immer mit einem erheblichen Risiko verbunden, so Ole Kampovski.

Jugendliche als Programmentwickler

Um dieses Risiko weitestgehend zu minimieren, bindet „Quantum“, das Formatlabor des Kleinen Fernsehspiels des ZDF, Jugendliche direkt in die Programmentwicklungen mit ein, wie Julia Haslauer, ZDF Redakteurin der Quantum Redaktion, betonte, die über Erfahrungen und Projekte dieses Formatlabors berichtete, in dem mit jungen Talenten innovative Serienpiloten und Multimediaprojekte entwickelt werden, die inhaltlich, technologisch oder formal Innovatives wagen.

Als zusätzliche Redakteurin der Hauptredaktion Neue Medien mit Schwerpunkt auf crossmedialer Formatentwicklung, sei ihr dieser Aspekt der Entwicklung neuer Formate mit und für die jüngeren Zuschauer äußerst wichtig und ein entscheidender Bestandteil neu entstehender Programmangebote, unterstrich Julia Haslauer und belegte dies mit interessanten Beispielen aus dem Formatlabor des ZDF.

Da sich Quantum als Plattform für die Erprobung innovativer Fernseh- und Internetformate in verschiedenen Genres und Längen versteht, sei hier die Chance für kreative AutorInnen, junge RegisseurInnen und innovative Produktionsfirmen groß, eigene Formatideen mit der Redaktion zusammen zu entwickeln und zu realisieren, wie Julia Haslauer hervorhob – denn neue Formatideen würden immer gesucht.

Als erfolgreiches Beispiel für ein von der jungen Generation für die jungen Zuschauer entwickeltes Comedy Format stellte Philipp Walulis seine Grimme Preis gekrönte Satiresendung „Walulis sieht fern“ vor, mit der er bei EinsPlus regelmäßig auf Sendung geht und hiermit beim jungen Publikum sehr gut ankommt. Seit Anfang 2013 hat er in der Satiresendung Extra 3 beim NDR unter dem Motto „Fernsehen macht blöd, aber unheimlich viel Spass“ eine feste Rubrik.

Crossmedia

Innovative Wege geht seit einigen Jahren auch die Produktionsfirma der Gebrüder Beetz, die als eine der wenigen Produktionsfirmen mit eigener crossmedialer Abteilung konsequent neue Formate online anbietet. Reinhard Beetz und Georg Tschurtschenthaler präsentierten hierzu unter anderem das Online-Lernspiel Wikinger (AT), welches Kindern und Jugendlichen zwischen 10 und 14 Jahren geschichtliche Inhalte interaktiv spielerisch vermitteln soll.

Unter dem Motto „Learning by Playing“ soll dieses Online-Lernspiel, das vom BKM gefördert noch in der Entwicklung ist, auf Deutsch, Englisch und Norwegisch an den Markt gehen und den jungen Spielern anhand von Filmen, Interviews mit Experten und historischen Dokumenten ermöglichen, in die Welt der Wikinger einzutauchen und so ein Stück nordeuropäischer Kulturgeschichte spielend zu lernen.

Dokuformate im Fernsehen

Ein Teil des Veranstaltungsprogramms war dokumentarischen Formaten im Fernsehen gewidmet. Den festen Sendeplatz um 18:15 Uhr im NDR Regionalprogramm mit den wechselnden Formaten „die nordreportage“, „NaturNah“ und „Typisch“, stellte Susanne Wachhaus, zuständige Redakteurin im Landesfunkhaus Hannover vor. Die nordreportage am Montag ist das älteste und erfolgreichste Format. Gewünscht werden Alltagsreportagen über norddeutsche Menschen, authentisch und ohne Inszenierung.

Für alle Produktionen liegt das Budget zwischen 22.000 und 27.000 € brutto, das Autorenhonorar liegt zwischen 5.000 und 7.000 €. Angesetzt werden 5-6 Dreh- und Schnitttage. Die Rechte bleiben komplett beim NDR. Die Redaktion ist offen neuen Produzenten gegenüber, Ideen sind erwünscht. Dies konnte auch Carsten Schüler bestätigen, der als Produzent der hannoverschen Produktionsfirma BEST COMPANY VIDEO schon häufiger mit dem NDR für diese Programmplätze zusammengearbeitet hat. Er ermunterte auch AutorInnen, sich mit interessanten Ideen an die NDRRedaktion oder an Firmen zu wenden. Man müsse allerdings immer berücksichtigen, dass das Budget keine aufwendigen Filme erlaube.

Auch das Format „7 Tage…“, das von den NDR Redakteuren Florian Müller und Fabian Döring aus dem Programmbereich Kultur und Dokumentation / Dokumentation & Reportage entwickelt worden ist und betreut wird, bietet engagierten Nachwuchsautoren die Chance, zu zweit, d.h. Autor und Kameramann, 7 Tage am Leben anderer Menschen teilzuhaben und dieses mit der Kamera zu dokumentieren. Die bewusste ICH-Perspektive des Autors sowie lange, nahezu fotographische Einstellungen verleihen hierbei dieser Sendung unverwechselbare Konturen.

Um ihrem Sendeformat auch eine möglichst große Öffentlichkeit zu geben, bedienen sich die beiden verantwortlichen Redakteure zusätzlich der Verbreitungsmöglichkeiten über Facebook, wo sie über Trailer der einzelnen Sendungen diese hier einem breiteren Publikum zugänglich machen. Zukünftig ist auch geplant, mit freien Autoren zusammen zu arbeiten

Raubkopien im Netz


Wie kompliziert es werden kann, wenn Dokumentarfilmer auf einmal im Netz auf illegale Kopien ihrer eigenen Filme stoßen, machte der Dokumentarfilmproduzent, –regisseur und AG DOK-Vorstandsmitglied Thomas Frickel deutlich, der salopp bemerkte, dass sinkende Verkaufszahlen oft ein Indiz dafür sein können, dass irgendwo mal wieder ein illegales upload stattgefunden hat.

Am eigenen Beispiel zeigte er, wie man in einem solchen Fall als Autor und Filmemacher vorgehen kann und auch muss, um das eigene Urheberrecht geltend zu machen. Als er bei Recherchen im Netz feststellen musste, dass Teile seines Film unter einem anderen Titel bei Youtube veröffentlich worden waren, hatte er sich hartnäckig mit der Urheberrechtsabteilung von Youtube in Verbindung gesetzt um seine Rechte, schließlich mit Erfolg, einzufordern – und ermutigte alle von solcher Piraterie betroffenen Filmemacher dies, Widerständen zum Trotz, ebenso zu tun.

Filmbildung und Prävention


Ein weiterer Schwerpunkt des 4. Film- und Medienforums war die Verbindung von Filmbildung und Präventionsarbeit, wobei hier niedersächsische Projekte vorgestellt wurden wie das Beratungsnetzwerk Rechtsradikalismus beim Landespräventionsrat, aber auch bundesweite Aktionen wie die Reihe von Kurzfilm-Satiren zum Thema Rechtsradikalismus, über die Reinhold Schöffel vom Bundesverband Jugend und Film e.V. berichtete und mit Auszügen aus den jugendgerecht produzierten, manchmal bissigen Kurzfilmen illustrierte.

Beeindruckende Beispiele für engagierte und mutige Filmarbeit waren aber auch die Dokumentarfilme der Regisseurin und Schauspielerin Mo Asumang, die sich als deutsch-afrikanische Filmemacherin mit der Kamera nicht nur in Deutschland dem rechtsradikalen Milieu aussetzte, sondern auch in den USA den nächtlichen Besuch bei Vertretern des Ku-Klux-Klans nicht scheute. Wichtig sei für sie, diese Filme immer wieder besonders in Schulen zu zeigen, unterstrich Mo Asumang, wo sie Schüler als Multiplikatoren ihrer filmischen Präventionsarbeit immer wieder mit Erfolg gewinnt und von ihrem Anliegen überzeugen kann.

Ein interessantes Beispiel für ein engagiertes neues Sendeformat ist das erste wirklich trimedial angelegte Format „Der Norden schaut hin“ von NDR und Radio Bremen, das anlässlich des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht mit einem Programmschwerpunkt auf allen Programmen von NDR und Radio Bremen mit Dokumentationen und Analysen über Rechtsradikalismus in Norddeutschland startete und auf der dazugehörigen homepage „Der Norden schaut hin“ auch weiterhin nachhaltig berichtet und informiert. Über die Arbeit, die Kooperationen innerhalb der Redaktionen und über die geplante Zusammenarbeit mit Schulen berichtete NDR-Redakteur Olav Jacobs.

Weitere Vorhaben zur Filmbildung in Niedersachsen wurden ebenfalls vorgestellt, darunter „Filmtrainer“, ein Modellprojekt für die pädagogische Qualifizierung von freien Filmschaffenden. Darüber hinaus berichtete Holger Twele über aktuelle Entwicklungen bei der Diskussion über Jugend-Expertenjurys. Autoren, Regisseure und Produzenten berichteten in der Sektion Work in progress über ihre aktuellen Filme, darunter Niels Marquardt über „Summer of Dreams“ und Franziska Pohlmann über „Die Krone von Arkus“.

Filmförderung neu ausrichten

Abschluss des 4. Film- und Medienforums bildete das Thema, das für engagiertes Arbeiten im Film- und Medienbereich unabdingbar ist: die neue Ausrichtung der Filmförderung. Staatssekretär Dr. Jörg Mielke, Leiter der Staatskanzlei und Aufsichtsratvorsitzender der nordmedia hob hierzu einige Eckpunkte hervor, wie die Zusicherung der Förderung der Filmfestivals für 2014, die institutionelle Förderung des Film- und Medienbüros (FMB), erstmalig nach über 10 Jahren, sowie die Berufung des FMBGeschäftsführers Karl Maier in den Vergabeausschuss der nordmedia. Er unterstrich, dass mit dem NDR Gespräche über neue Vereinbarungen zur Filmförderung geführt werden würden.

Thomas Frickel von der AG Dokumentarfilm beklagte den Einfluss der Sender auf die Filmförderung und verlangte deren Rückzug aus den Gremien. Karl Maier zitierte den Landesrechnungshof mit seiner Kritik an der Vergabepraxis der nordmedia, bei der sich derzeit die Sender "ihr" Geld für Programme zurück holen können.

Förderprogramm "Nordlichter"

Ein konkretes Beispiel für ein neues norddeutsches Förderprogramm hatten zu guter Letzt NDR-Spielfilmredakteurin Sabine Holtgreve und Jochen Coldewey von der nordmedia in petto. Als gemeinsames Nachwuchsförder-Programm von NDR, nordmedia und der Filmförderung Hamburg-Schleswig Holstein sollen mit „Nordlichter“ zukünftig Filmprojekte von Nachwuchstalenten schnell und unkompliziert gefördert und produziert werden.

Vier Sendeplätze stellt der NDR hierfür jährlich zur Verfügung und beteiligt sich mit der nordmedia und der Filmförderung Schleswig Holstein an dem Produktionsbudget von je 950.000 Euro, wobei jede jährliche Förderrunde an bestimmte Genrevorgaben gebunden ist. Erster Termin für Anträge ist im Januar 2014, bei dem in diesem Jahr Komödien eingereicht werden können.

Filme im SCALA

An beiden Abenden wurden im SCALA Programmkino in Lüneburg noch Spiel,- Dokumentar- und Kurzfilme gezeigt, darunter der am Abend vorher in Los Angeles ausgezeichnete „Tore tanzt“ von Katrin Gebbe. Die Produzentin Verena Gräfe-Höft war eigens zur Diskussion angereist. Ebenfalls mit dem Publikum diskutierten auch Brigitte Krause, Regisseurin von „Feinde – Brüder“ und die RegisseurInnen Rosa Hannah Ziegler („Niedersachsen“), Ulrike Westermann („Blutsschwestern“), Philipp Döring („Kann ja noch kommen“, Rita Bakacs („Übergang“) und Christian Ewald „Where to go".

Intensive Diskussionen, gestiegen Teilnehmerzahlen und viele positive Rückmeldungen an die Veranstalter Jörg Witte von der Medienagentur M7 und Karl Maier vom Film- und Medienbüro Niedersachsen haben das Film- und Medienforum einmal mehr zu DEM Treff der niedersächsischen Filmszene gemacht, von dem innovative und auch kritische Impulse ausgehen.

Man kann auf das 5. Film- und Medienforum im Herbst 2014 gespannt sein.

Barbara Klimmeck

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 04. Februar 2014 um 12:02 Uhr