Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2013 re:publica - Physisches Treffen der Netzgemeinde
re:publica - Physisches Treffen der Netzgemeinde PDF Drucken E-Mail
re:publica // Foto (c): Kerstin HehmannDie re:publica ist eine Konferenz rund um das Web 2.0. Netzaktivisten, Blogger und Interessierte diskutieren über gesellschaftliche Themen in der Digitalen Welt. In Vorträgen und Workshops werden verschiedenste Themenfelder behandelt, von Medien und Kultur über Politik und Technik bis zu Entertainment. Die re:publica wird jährlich in Berlin an drei Tagen veranstaltet. Diesmal waren 5.000 Besucher beim physischen Treffen der virtuellen Welt anwesend. Zuhören, Twittern und auf Labtops mitschreiben, bei den meisten Besuchern läuft alles parallel. Nur bei mir nicht: Ich notiere mir diesmal noch alles mit Zettel und Stift.

Auf der re:publica ist die Begeisterung für das Netz und seine schier unendlichen Möglichkeiten überall zu spüren. In der Diskussionsrunde zum Thema ›YouTube macht die Stars von heute‹ bringen die Teilnehmer ihre Begeisterung für YouTube dem Publikum nahe. Auf der Bühne sind: LeFloid, Simon W. und Amy Herzstark. Sie sind jung und erfolgreich. Alle haben Millionen Follower. Im Gespräch geht es um ihre Motivation und Kreationen und um das Gesamtphänomen.

Von Tanja Haeusler (Gründerin der re:publica) kommt aus dem Publikum die Frage, ob die YouTube-Stars eigentlich bei YouTube bleiben wollen oder nur auf Stefan Raab warten, der sie dann zum richtigen Fernsehen holt, um dort Karriere zu machen. Kurzes Schweigen auf der Bühne. Simon W: ›Ich kann mir gar nicht vorstellen ins Fernsehen zu gehen, weil ich seit drei oder vier Jahren kein Fernsehen mehr geschaut habe. Fernsehen ist nicht mehr meine Welt, weil man sich nicht aussuchen kann, wann man was schaut. Auf YouTube kann man sich das anschauen, was man will, wann und so oft wie man will.‹ Christoph Krachten von www.mediakraft. de ergänzt: ›Die Öffentlich-Rechtlichen haben den bunten Wald platt gemacht. Gebührenfinanzierte Inhalte haben nahezu alles andere verdrängt und das geht nicht.‹

Aktivitäten der Öffentlich-Rechtlichen

re:publica // Foto (c): Kerstin HehmannUm neue Formate im gebührenfinanzierten Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen geht es in dem Vortrag: Wie Fernsehen und Online zusammenwachsen: die SWR-Projekte Zeit der Helden und Tatort+ 2013. Zwei große Projekte, bei denen der SWR die Grenzen zwischen linearem Fernsehen und Online auflöst, standen im Fokus dieser Session.

In der Echtzeit-Serie Zeit der Helden stimmen Erzählzeit und erzählte Zeit im Fernsehen und im Web überein. In der TVSerie schliddern fünf Tage lang die Darsteller durch die Midlife Crisis. Das Web hat die ›Echtzeit-Fiktion‹ während der TV-Ausstrahlung unterstützt und bietet eine zusätzliche Erzähl- und Spielebene. Für Krimi-Fans gibt es die Anknüpfung an ein Format, das der SWR im vergangenen Jahr mit großem Erfolg gestartet hat: Der Tatort+ geht in die zweite Runde. Schon eine Woche vor dem Tatort - am 18. Mai 2013 - werden die Spieler im Web mit einem Verbrechen konfrontiert, das es aufzulösen gilt. Nika Banovic, den Tatort- Zuschauern als Mitarbeiterin der Stuttgarter Spurensicherung bekannt, wird die Spieler durch den Fall führen. Dessen Lösung ist eng mit den Geschehnissen im Tatort Spiel auf Zeit verknüpft, der am 26. Mai im Ersten ausgestrahlt wird. Geplant ist dieses Format einmal im Jahr durchzuführen. Verglichen mit den Budgets des linearen Fernsehens, sei das Format bezahlbar, so hieß es. Konkrete Zahlen wurden aber nicht genannt.

Die Öffentlich-Rechtlichen stehen auf der re:publica in verschiedenen Veranstaltungen in der Kritik. Beklagt werden mangelnde Transparenz, Niveauverlust und Zwangsgebühren. Aber Lorenz Lorenz- Meyer sagte in der Session ›Öffentlich- Rechtliche in Zeiten des Internets‹: ›Es ist unser Rundfunk. Machen wir einen besseren Gebrauch davon.‹

re:publica // Foto (c): Kerstin Hehmann
In diesem Jahr waren Bildungsthemen auf der re:publika breit vertreten. Der Vortrag von Manuela Schauerhammer ›Heute aufwachsen in Digitalistan: Die neuen mündigen Menschen?‹ stellt Projekte von einzelnen Kindern, von Schulklassen und von kindergegründeten Organisationen vor. Projekte, mit denen die Kinder von heute schon heute die Welt verändern, und zwar insbesondere: durch mündiges digitales Handeln.

Zum Beispiel von der kleinen Projektgruppeninitiative neunjähriger Kinder, die sich eigenständig bei Firmen nach Herstellungsmethoden ihrer Süßwaren erkundigen (›Betreff: Schokolade und Sklaven‹). Oder von dem Blog mit Fotos über das Schulessen. Eine neunjährige schottische Schülerin hatte an fast jedem Schultag ihre Kantinenmahlzeiten fotografiert und in ihrem Blog kritisch bewertet. Die Resonanz übertraf alle Erwartungen: Um den Blog bildete sich eine riesige Fangemeinde, mehr als sechseinhalb Millionen Menschen haben ihn bereits angeklickt. Gleichzeitig sammelte der Blog viele Spenden für die Organisation Mary's Meals, die unterernährten Kinder helfen will. Der Vortrag endet mit dem Appell, die Kinder und Nachbarschaftsprojekte zu unterstützen.

re:publica // Foto (c): Kerstin HehmannEin ernstes Thema erörtert die Referentin Elisabeth Rank in ihrer subjektiven Betrachtung ›Bis dass der Tod uns scheidet - Soziale Medien und der Umgang mit dem Sterben‹.

Der Tod ist in den sozialen Medien ein Tabuthema, eines, das berührt, und auch eines, mit dem wir uns in Zukunft auseinandersetzen müssen. Was passiert mit unseren Profilen nach unserem Tod? Der Tod im Newsfeed irritiert. In Sozialen Netzwerken haben wir es mit Lebenden zu tun. Die Kommunikation ist oberflächlich und tägliches Leben wird dokumentiert. Es stellt sich die Frage, was mit Blogs und Profilen nach dem Tod passiert. Sie könnten zum Ort aktiver Trauerarbeit werden oder ein Ort der Stille. Unternehmen erkennen zunehmend die Nachfrage nach digitaler Trauerarbeit. Die Verwaltung von Profilen ist für Hinterbliebene hingegen mühsam. Einfacher wird es, wenn an einer Stelle alle Passwörter hinterlegt und festgehalten wird, ob ein Profil, ein Blog erhalten bleiben soll oder gelöscht wird. Facebook und Twitter lassen sich mittlerweile auf einen Gedenkmodus umschalten. Jemand aus dem Publikum bemerkte dazu: Heutzutage stirbt man einen Online- und Offline- Tod.

Weitere Infos: www.re-publica.de

Kerstin Hehmann (Text und Fotos)
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 28. Mai 2013 um 10:21 Uhr