Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2012 Leo-Preis für PFFFHP TT! von Deborah Phillips
Leo-Preis für PFFFHP TT! von Deborah Phillips PDF Drucken E-Mail
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Cornelius Schwehr (li.) und Sylke Gottlebe (re.) aus der ›Leo‹-Jury mit den Gewinnern Ruth Wiesenfeld (2. v. li.) und Deborah Phillips (PFFFHP TT!)
Foto: Marek Kruszewski / Marius Maasewerd


Deborah Phillips, ehemalige Absolventin der HBK Braunschweig erhielt für ihren 16mm-Film PFFFHP TT! (5 Min.), der beim Filmfest Braunschweig im Rahmen des Kurzfilm-Musik-Wettbewerbs lief, den mit 2.000 Euro dotierten Preis ›Der Leo‹. Phillips verarbeitet darin einen Fahrradunfall, dessen Nachwirkungen noch nicht überstanden sind. Der Film beginnt zunächst mit einer Introduktion. Wenige Bilder – die Katze, die Häuser einer Straße, Baumwipfel, eine Ampel, rot – und ein, zwei Sätze, aus dem Off, reichen aus, die Situation zu erklären: ›Rote Ampel. Zwei Autos stehen davor. Also bremse ich. PFFFHP TT! Und ich kann nicht mehr aufstehen, mich nicht mehr bewegen.‹

Die nachfolgende Ausführung besteht im Wesentlichen aus drei Bildebenen, die einander pulsierend ablösen, ineinander verschachtelt sind: Dem Filmmaterial, das durch Überlagerung und (bewusste) Fehlentwicklung chemisch verändert ist, zerkratzt, verfärbt, zerstört, was unruhige, gleichwohl eindringliche fluktuierende zufällige Muster ergibt. Dann der Röntgenaufnahme eines Beckens (zu sehen ist nur das Knochengerüst), zunächst eher unscharf, später klar. Ferner den Trainings- Gerätschaften in einem Übungsraum, offenbar in einem Reha-Zentrum, Stuckdecke, rundliche rötliche Lampen, Details immer nur, keine Menschen, gelegentlich Arme, gelegentlich Füße.

Auf der Tonebene (Sound: Ruth Wiesenfeld) eine ebenfalls ineinander verschachtelte Dreigliedrigkeit: Die sparsam eingesetzte Stimme der Erzählerin, die ihre Sätze gleichzeitig zweisprachig spricht, englisch und deutsch (gemäß der Zweisprachigkeit der Filmemacherin), weshalb es schwierig ist, den Text zu verstehen: Mal schiebt sich ein englisches, dann wieder ein deutsches Wort in den Vordergrund, Sprache wird so über die Mitteilung hinaus zum Klang. Zum anderen ist da die Stille, bewusst ebenfalls eine Komponente des Sounddesigns. Schließlich ein rhythmisch harter Aufschlag, der an das feste Aufsetzen einer Krücke auf einen Holzboden erinnert, aber Nebenklänge hat, die nicht so leicht zu beschreiben sind.

Ist der Rhythmus des Films, der Irritation entsprechend, die sich bei der Filmemacherin nach dem Unfall zunächst eingestellt haben muss, erst eher hektisch, so kehrt allmählich so etwas wie Ruhe ein: Doch alles hat sich verändert, stellt sie fest. ›Bin jetzt viel langsamer. Manchmal ist es ganz schön anstrengend. Es geht immerhin weiter‹. In nur fünf Minuten wird eine Geschichte erzählt, eine Entwicklung dargestellt, ein Gefühl evoziert und Raum für eigene Assoziationen geschaffen. Die ›Leo‹- Jury nannte den Ton eine ›Art musique concrète‹. Und stellte fest: ›Bild und Ton, Hören und Sehen, werden von Regisseurin und Komponistin auf betont artifizielle Weise kombiniert und ergänzen sich, ohne sich wechselseitig zu dominieren.‹

Willi Karow
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 11. Dezember 2012 um 13:44 Uhr