Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2012 Dokville - Überwiegend düstere Aussichten
Dokville - Überwiegend düstere Aussichten PDF Drucken E-Mail

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Pepe Danquart hatte überwiegend „Bad news“ mitgebracht. Foto: (c) HDF / Rene Müller.

Zwar ging es in Ludwigsburg bei Dokville vom 3. bis 4. Mai beim diesjährigen Branchentreff Dokumentarfilm um die Frage, wie man "Vom Dokumentarfilm leben" kann. Doch viele der angesprochenen Probleme sind genauso für Produzenten, Regisseure und Autoren im Fiktion- und künstlerischen Film existenziell. Pepe Danquart kennt alle Höhen und Tiefen eines Filmemachers: Er hat für seinen Kurzfilm Schwarzfahrer einen Oscar bekommen, hat erfolgreiche Dokumentarfilme gemacht (u. a. Höllentour), hat aber auch schon Phasen erlebt, wo nicht klar war, wie die nächste Miete bezahlt werden soll. Gerade in der Zeit sei es wichtig gewesen, nicht als Einzelkämpfer den ganzen Druck aushalten zu müssen. Er war Mitbegründer der Freiburger Medienwerkstatt und dieses Kollektiv war nicht nur finanziell eine Hilfe.

Heute sei das damalige Lernen von- und miteinander kaum mehr möglich, in der zugespitzten ökonomischen Situation. Dennoch sein Aufruf, vor allem an die vielen anwesenden FilmstudentInnen, die demnächst auf den Markt drängen: „Bildet Banden, seid radikal, macht euch unabhängig von den Mächtigen“. Er machte aber auch deutlich, dass sich die meisten auf ein unruhiges und kaum planbares Leben einstellen müssen.

Warum das so ist, dafür lieferte Pepe Danquart viele Beispiele, die im Laufe der Tagung auch von anderen ReferentInnen immer wieder bestätigt wurden. Da ist das Fernsehen: „Das Fernsehen der 60er und 70er Jahre war besser als heute". Die Aufgabe des Fernsehens ist, mehr Dokumentarfilme zu zeigen. Da dies nicht passiert, drängen viele mit ihren Filmen ins Kino, auch weil dies häufig zu den Förderbedingungen gehört. Doch die Kinos sind überflutet mit zu vielen Filmen und riskieren beim Dokumentarfilm zu wenig. Oder die Verleiher trauen ihren Filmen zu wenig zu. Sein Film Höllentour sei mit nur 13 Kopien gestartet worden und habe damit einen Kopienschnitt von 1.300 erzielt. Erst dann wurde die Kopienzahl in der 2. Woche erhöht. Dass Dokumentarfilme so nicht auf die Besucherzahlen und Einnahmen kommen können, liege auf der Hand.

Zu den „Bad news“ von Pepe Danquart gehörte auch die Feststellung: "Der mediale Markt wird immer größer, aber für den Einzelnen immer kleiner". Bei derzeit rund 500 Hochschulabgängern stelle sich die Frage, wo bleibt der Nachwuchs, aber auch, wo bleiben die, die schon länger dabei sind? Also muss das gebührenfinanzierte Fernsehen wieder stärker an seinen Programmauftrag erinnert werden. Unterstützung erhielt er von Heinz Glässgen, ehemaliger Intendant von Radio Bremen: „Man darf die Öffentlich-rechtlichen nicht in Ruhe lassen, man muss ständig Druck machen. Er erinnerte in dem Zusammenhang auch an Programmkonzepte des NDR wie „Der dokumentarische Blick“ oder die „Kellerfilme“, mit denen versucht wurde, dem Nachwuchs eine Plattform im Fernsehen zu geben. Vielleicht haben tatsächlich einige TV-Ruheständler erkannt, dass sich das Fernsehen dringend wieder öffnen muss für kreative und unkonventionelle Themen und Filme. War das also der Hoffnungsschimmer nach den „Bad news“?

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Georg Stefan Troller beeindruckte im Gespräch mit Gabriele Röthemeyer mit seinen unschätzbaren Erfahrungen. Foto: (c) HDF / Rene Müller.

Thomas Tielsch hat auch seine Erfahrungen mit fehlenden Sendeplätzen, Quotenvorgaben, Budgetkürzungen und unerquicklichen Rechteverhandlungen – zum Beispiel um die Onlinerechte. Der Markt werde aufgeteilt zwischen den Töchtern der Sender und anderen größeren Firmen. Die Machtverhältnisse würden verwahrlosen, viele hätten kein Vertrauen mehr in Redakteure und Produktionsleiter. Deshalb versuche er mit Filmtank einen Strategiewechsel, um die Abhängigkeit vom Fernsehen zu verringern. Derzeit seien fünf Filme fürs Kino in Arbeit, davon drei ohne Senderbeteiligung. Filmtank arbeitet aber auch an Crossmedia- Projekten. Tielsch stellte die beiden ersten Projekte vor: "New Horizons", bestehend aus zwei Filmen und einem Onlinespiel und ein Spiel für den Bildungsbereich. Für ihn sind diese Projekte kein notwendiges Übel sondern man lerne viel dabei. "Es wird von uns mit konkreten, dokumentarischen Informationen gearbeitet. Dokumentarische Kompetenz macht uns für die Leute aus der Games- Branche interessant."

Dennoch sieht er auch eine Zukunft für klassische Dokumentarfilmprojekte, hat aber einige Forderungen an die Förderungen: Man könne beispielsweise keine TVStandards verlangen, wenn kein TV dabei sei. "Es kann doch kein ganzes künstlerisches Genre verschwinden, nur weil es im Fernsehen keinen Platz mehr dafür gibt." Und wieder meldete sich Heinz Glässgen zu Wort: Das Problem sind nicht die Redaktionen, sondern diejenigen, die das Geld verteilen, die Leitung, die Gremien. Also auf allen Ebenen Druck machen. Fazit: Das sollten wir tun, auch im Interesse der Sender, um ihre Legitimation als letzter „Volkseigener Betrieb“ zu erhalten.

Wer die anderen spannenden Themen von dokville gerne kennenlernen möchte, hier wird man fündig: www.dokville2012.de

Karl Maier
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 31. Mai 2012 um 10:16 Uhr