Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2012 Oberhausen: Zeit reif für neues Manifest?
Oberhausen: Zeit reif für neues Manifest? PDF Drucken E-Mail
Natürlich gab es bei den diesjährigen Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen auch Programme, die an den ›Meilenstein in der Entwicklung des deutschen Kinos‹ erinnerten: Am 28. Februar 1962, also vor rund 50 Jahren, verkündeten 26 bundesdeutsche Filmschaffende bei den 8. Westdeutschen Kurzfilmtagen in Oberhausen: ›Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.‹

Als ›Oberhausener Manifest‹ ging diese radikale Ablehnung der bestehenden Produktionsverhältnisse in die Filmhistorie ein. Auch in anderen Ländern gab es ähnliche Bewegungen. In den Programmen ›Provokation der Wirklichkeit: Mavericks, MouveMents, Manifestos‹ wurden dazu viele eigens restaurierte Filme gezeigt.

oberhausen
Pressekonferenz zum Oberhausener Manifest 1962. Am Pult Alexander Kluge.
Quelle: Kurzfilmtage


Doch wie sieht die Wirklichkeit 50 Jahre später aus?

Dass es aktuell viel Unmut über die derzeitigen Produktionsverhältnisse gibt, war u. a. in der Veranstaltung mit dem Thema ›Das Vierte Fernsehen‹ zu spüren. Angekündigt als ein ›Gespräch über Fernsehen ohne Quotendruck, mutig, elitär und anarchistisch; über die Zukunft des Mediums jenseits der Zerstörung von Öffentlichkeit durch öffentlich-rechtliche ›Blödmaschinen‹; über die Utopie Fernsehen und Alternativen im Internet, in Kunstprojekten, im Kurzfilm‹ stellte sich aber bald heraus, dass die PodiumsteilnehmerInnen nicht die Themen ansprachen, die den FilmemacherInnen unter den Nägeln brennen.

Zwar wurde vor allem von Claudius Seidl von der FAS das Öffentlich-rechtliche Fernsehen kritisiert als Großer Apparat, bei dem die Selbsterhaltungskräfte im Mittelpunkt stehen. Er wollte auch eine neue Verteilung der Rundfunkgebühren und eine neue Definition der gesellschaftlichen Aufgaben des Rundfunks.

Doch die jungen FilmstudentInnen hatten existenzielle praktische Probleme: Wie kann erreicht werden, dass im Fernsehen mehr Filme von Absolventen der Hochschulen laufen, wie kann das Verhältnis zwischen TV-Angestellten und (Vogel)Freien verbessert werden, wie kann das Klima der Angst beseitigt werden, die Freie haben, wenn sie sich – kritisch – gegenüber dem Fernsehen äußern.

Konkret wurde dies von einem Besucher der Diskussion angesprochen: Eigentlich sei geplant gewesen, in Oberhausen mit einem ›Oberhausener Manifest 2.0‹ an die Öffentlichkeit zu treten. Allerdings war bei vielen die Angst groß, als Unterzeichner bei den TV-Sendern in Ungnade zu fallen. Deshalb würde die Diskussion des Manifest- Entwurfs noch weiter gehen und möglicherweise sei in Oberhausen 2013 mit dem Manifest zu rechnen.

Der Entwurf formuliert durchaus zutreffend: ›Erst war Papis Kino tot, nun ist es das Fernsehen. Und mit ihm eine Dominanzstruktur, die den Film und die Art und Möglichkeiten des filmischen Erzählens lähmt und gängelt. Es ist Zeit für eine Selbstverwaltung. Das worldwideweb bietet die Möglichkeit zur demokratischen und unabhängigen Produktion und Distribution der neuen Filme, ausgewählt vom Publikum und aufgeführt für das Publikum.‹ Hierfür fordert die Initiative einen Anteil an den GEZ-Gebühren und Sendeplätze und will sich von alten Autoritäten unabhängig machen.

In diesem Jahr waren die potentiellen Unterzeichner noch nicht reif für ein neues Manifest. Dass es zu gravierenden Umbrüchen im derzeitigen Mediensystem kommen wird, daran bestehen keine Zweifel. Nur wohin die Reise geht, ob es besser wird im Sinne von mehr Teilhabe, mehr Demokratie, mehr Transparenz, oder ob die Kommerzialisierung sich weiter ausbreitet, das ist die entscheidende Frage, die auch in Oberhausen – in diesem Jahr – nicht beantwortet wurde.

Karl Maier
Weitere Infos auch zu den Preisträgern:
www.kurzfilmtage.de
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 24. Mai 2012 um 09:47 Uhr