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Pädagogische Arbeit an der Schnittstelle kultureller und politischer Bildung

Anlässlich der Vorstellung des gleichnamigen Buches im Juni 2011 im Edith-Russ Haus für Medienkunst in Oldenburg bat das Film & Medienbüro Niedersachsen Nanna Lüth, eine der Herausgeberinnen, die Arbeit des Hauses und das Buch vorzustellen.

medienkunsthausEin breites Publikum existiert nicht. Der Soziologe Pierre Bourdieu hat 1979 in seinem Buch "Die feinen Unterschiede" über die Abhängigkeit des so genannten ›guten Geschmacks‹ von sozialer Herkunft geschrieben. Die feinen Unterschiede, die bis heute gar nicht fein sind, wie die PISAStudien gezeigt haben, betreffen auch das Verhältnis von Kulturinstitutionen zu ihrem Umfeld.
Soziale Unterschiede ordnen einige Menschen mehr einer Hochkultur zu und andere davon weg. So kommen Menschen, die zu einer bestimmten Art von Kultur hingeführt wurden, eben selbstverständlicher in Kunsträume. Kunstvermittler/ innen müssen sich deshalb über die Öffentlichkeiten, die sie erreichen und über die, die sie darüber hinaus erreichen wollen, Gedanken machen.
Für jene, die sich - ähnlich wie viele Medienkünstler/innen - auch mit sozialen Prozessen und Verhältnissen beschäftigen, ergibt sich angesichts gesellschaftlicher Ungleichheiten die Aufgabe, Bedingungen zu schaffen und Einladungen so auszusprechen, dass sie diesen Ungleichheiten etwas entgegensetzen können.

Die Kunstvermittlung des Edith-Russ- Hauses für Medienkunst geht von (Medien) Kunst aus. Ihre Angebote orientieren sich inhaltlich und methodisch an den Ausstellungen, an populärer Medienkultur und politischen Debatten. Konzipiert von mir (Nanna Lüth, Künstlerin und Kunstvermittlerin) verortet sich das aus Workshops, Ausstellungsgesprächen und experimentellen Formaten bestehende Programm im Feld zeitgemäßer, gesellschaftlich engagierter Kunstvermittlung.
Gemeinsam mit lokalen und internationalen Künstler/innen werden hier Ökologie, Videoüberwachung oder Bilderpolitiken mit künstlerischen Mitteln erforscht. An diesen Forschungen nehmen unterschiedliche Personen und Interessensgruppen teil - Schulklassen und Lehrer/innen, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Studierende, Erzieher/innen und andere mehr. So wurde zum Beispiel im Sommer 2010 in Zusammenarbeit mit der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, dem Flüchtlingslager Blankenburg, unterschiedlichen Schulen und dem Jugendamt der Stadt parallel zur Ausstellung ›MyWar‹. Partizipation in Kriegszeiten‹ das Thema Krieg bearbeitet. Das Kunsthaus öffnet sich zunehmend für ein heterogenes Umfeld.

Projekt ›MyWar‹, Partizipation in Kriegszeiten. Gegen neoliberale Vereinnahmung

Das Arbeitsfeld einer kritischen Kunstvermittlung, die sich im deutschsprachigen Raum seit gut zehn Jahren entwickelt hat, wendet sich gegen neoliberale Vereinnahmungen oder Kompensationslogiken (wie z. B., dass kulturelle Bildung politische oder wirtschaftliche Probleme bearbeiten solle oder wenigstens schwierige Lebensverhältnisse erträglicher gestalten) oder Effektivitätsanforderungen (kulturelle Bildung hätte demnach das Ziel, hoch motivierten, flexiblen, kompetenten, kreativen Nachwuchs auszubilden). Sie distanziert sich von der elitären Setzung, ein wertvolles (westliches) Bildungsgut und damit verbundene Werte zu vermitteln. Die fortwährende Dekonstruktion von Vorannahmen und die Verunsicherung dem Eigenen gegenüber ist es, die sie von der Medien- wie Museumspädagogik herkömmlicher Art unterscheidet.
Nanna Lüth

Foto: Projekt ›MyWar‹, Partizipation in Kriegszeiten.

medien kunst vermitteln
herausgegeben von Nanna Lüth und Sabine Himmelbach für das Edith-Russ- Haus für Medienkunst, Oldenburg
156 Seiten
mit SW-Abbildungen, Titel zweifarbig
Verlag: Revolver Berlin
Preis: 14 Euro
Information & Bestellung:
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www.edith-russ-haus.de/Kunstvermittlung
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 13. September 2011 um 13:07 Uhr