Kai des Aufbruchs PDF Drucken E-Mail
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Dokumentarfilm von Brigitte Krause Geschichten von Aufbruch und Abschied kreuzen sich am Steubenhöft – dem vergessenen Hafen der europäischen Auswanderung. Die Hamburger Filmemacherin Brigitte Krause umwanderte mit sehnsuchtsgefüllten Bildern diesen Ort ungezählter Abschiede, den weltweit einzig noch in Betrieb befindlichen ehemaligen Auswandererhafen an der deutschen Nordseeküste. Geschichten von Menschen vor Ort, Auswanderern nach der Jahrhundertwende, von Emigranten während des Krieges und in der Nachkriegszeit erwecken im Film den Ort zu neuem Leben.

kai_des_aufbruchs_1880 Minuten
Buch, Regie, Kamera, Montage: Brigitte Krause
Produktion maxim film, Peter Roloff
www.aufbruch-steubenhoeft.de

Premiere: 1. Film- und Medienforum Niedersachsen, Walsrode, 25. September 2010, um 19 Uhr im Kino Capitol

Fotos (c) maxim film:
oben: Regisseurin Brigitte Krause am Drehort in Cuxhaven
rechts: Lentzkai
2x unten: Steubenhöft in Cuxhaven. 1990er Jahre


Regisseurin Brigitte Krause über die Entstehung ihres Films
„2008 ziehe ich in Cuxhaven in das leerstehende Haus der ehemaligen Wasserschutzpolizei, mit Blick auf das Steubenhöft, die Hapag-Halle und den Amerikahafen. Für einige Monate soll das Backsteingebäude zum Ausgangsort meiner filmischen Beobachtungen werden.
Die Landspitze, das „Höft“ ist getrennt durch eine Schleuse. Der Schleusenwart sagt, „wenn man über die Schleuse ist, dann ist man in Amerika“. Zum Gebäudeensemble verirren sich ab und an ein paar Touristen und ein kleiner Trupp von Rentnern bedauert beharrlich die Zäune, die den Zugang zum Steubenhöft verwehren, den Blick aufs Meer durch einen Zaun quadrieren. Auf der Rückseite von Hapag- Halle und Zollgängen, am Amerikahafen ist es noch stiller. Die Natur, – Gräser, Mohnblumen und sogar kleine Kiefern – hat sich das Gelände, die Häuserkanten, den Bahnsteig, die Schienen bereits zurückerobert.

kai_des_aufbruchs_04Kann ein Mensch sich in Mauern verlieben? Anscheinend, denn schon seit mehr als 30 Jahren bin ich treu, zieht es mich hierher zu diesem stillen Gebäudekomplex, will ich ihn in Bildern festhalten. Der Ort entschleunigt und so verbringe ich für die Dreharbeiten mehr als ein Jahr am Steubenhöft.

2009 war es mit der Stille plötzlich zum Leidwesen der Tonaufnahmen dahin. Die Krise war schnell an diesem verträumten Ort angekommen. Rundum hatten nun Transportschiffe angedockt, sie hatten keine Ladung mehr und sorgten mit ihren Hochleistungsgeneratoren für ein allerorts hörbares Geräusch. Es gibt zwar Stromversorgung vor Ort, aber die ist teurer als Schweröl...

Manchmal trabt noch ein Hund, ein älteres Modell, neben mir, gewohnt dem Kamerafokus auszuweichen. Er ist eigentlich nur an den Wohlgerüchen des Restaurants interessiert, das nach drei Monaten unserer Anwesenheit eröffnet. Auch in den Kuppelsaal der Hapag-Halle zieht ein neuer Pächter ein, der das historische Ensemble mit kulturellen Events beleben will. Ich begieße mein erstes „Du“ mit dem Gastwirt, einem der Protagonisten des Films, einem Zugewanderten aus Bremerhaven, der mit 12 aus der Türkei kam.

Die Einwohner der kleinen Stadt Cuxhaven besuchen diese Gemäuer nur spärlich, es ist der Ort „dort drüben“ mit vielen ungelösten Problemen, alten Mauern und meist verschlossenen Türen. Auch die ehemaligen Auswanderer beschäftigten sich mit anderem als ihrer Umgebung, die sie nur für ein paar Stunden teilten – ein Ort des Durchgangs von marginalem Gegenwartswert. Helga von Schweinitz, 1957 über das Steubenhöft nach Amerika ausgewandert, spricht von der „enormen Unsicherheit über die eigene Entscheidung“, die sie quälte, während sie damals durch die Zollhalle Richtung Schiff ging. Ein Zug kommt an, wie damals die Züge in den 1950er Jahren. Derselbe Bahnsteig, die alte Uhr. Es ist der Theaterzug der Theatergruppe „Das Letzte Kleinod“. Sie wollen in den Räumen ein Stück inszenieren. Auch sie sind von dem Gebäudekomplex fasziniert und erzählen Geschichten von Menschen, die unter den Zwängen des Krieges oder der Nachkriegszeit das Land verließen.

kai_des_aufbruchs_05Die Ankunft eines Kreuzfahrtschiffes ist hier selten geworden, doch der Gebäudekomplex ist noch in Betrieb. Auch die Transportbänder, Gangways, Karren aus den 1950er Jahren werden für Gepäck und Passagiere genutzt. „Wenn sich das einer anguckt, dann fragt der sich in welchem Zeitalter leben wir?“ sagt ein Gepäckträger, der hier die Koffer auf die alten Karren wuchtet. Er ist sich nicht sicher, ob seine Zustimmung zum unprätentiösen Erhalt des Gebäudes, vor den Augen der Kamera, der Welt dort draußen, Bestand hat. Ist es lächerlich wie in alten Tagen zu wirtschaften? Oder ist es ein Privileg, das man sich so lange erhalten sollte wie möglich, gegen jeden noch so lockenden Fortschritt?“

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 21. September 2010 um 11:42 Uhr