Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2010 nordmedia-Talk: Was kommt an neuen TV-Formaten?
nordmedia-Talk: Was kommt an neuen TV-Formaten? PDF Drucken E-Mail
nordmediatalk_tvformateViele Medienmenschen kennen das tägliche Fernsehprogramm nur vom Hörensagen oder aus Beiträgen in Zeitungen, wenn mal wieder ein Privatsender etwas „überzogen“ hat. Man regt sich auf über die Darstellung häuslicher Gewalt oder insgesamt die Verrohung der Sitten in Dokusoaps oder den neueren Scripted Reality-Formaten. Viele andere, vor allem die, die das täglich sehen, haben damit keine Probleme, ihnen gefallen „Familien im Brennpunkt“ oder „Verdachtsfälle“ und das wiederum gefällt den produzierenden Sendern. Diese Formate lassen sich sogar gut verkaufen, wie der Journalist Torsten Zarges beim nordmedia Talk am 9.9.2010 in Hannover mitteilte. Hier sei Deutschland führend und exportiere erfolgreich vor allem in osteuropäische Länder. Insgesamt konnte der Export von Programmen auf 136 Mio. Euro im Jahr 2009 gesteigert werden, was allerdings im Vergleich zu amerikanischen oder britischen Exporterlösen noch sehr gering ist.

Foto: Die Talkgäste, Torsten Zarges, Dr. Michael Heiks, Heiner Backensfeld und Michaela Hummel. Foto von Jörg Lorenz

Der Fernsehmarkt hierzulande ist vor allem auf die Übernahme von im internationalen TV-Markt erfolgreichen Formaten fokusiert. Unter den Top 50 der meistgesehenen Sendungen sind nur ein Drittel eigene Formate. Zwei Drittel werden also importiert. Was da alles auf die vor allem Privat-TV-Seher zukommt, wird vorher auf Verkaufsmessen gesichtet, getestet und dann übernommen.
Nicht immer sind Erfolge im Ausland hier wiederholbar. Herr Zarges machte deutlich, dass die Sender einige unerwartete Flops verbuchen mussten. Deshalb habe der Sicherheitsgedanke bei den Verantwortlichen sehr zugenommen, es werde noch mehr getestet, immerhin geht es auch um viel Geld. Denn, die Zahl des zu erreichenden Publikums nimmt durch immer mehr Sender weiter ab. Gleichzeitig sind immer mehr Jugendliche am Nachmittag online und sitzen nicht vor dem TV, wie die jüngste ARD/ZDF-Studie „Massenkommunikation“ zeigt.

Müssen also Programme noch mehr vermeintliche Grenzen überschreiten um Publikum zu finden? Man wird sehen, die Formatschmieden sind weltweit aktiv und werfen unablässig neue Produkte auf den globalen TV-Markt.
Es gab noch mehr zu hören und zu sehen an diesem insgesamt informativen und kurzweiligen Abend, der von Jochen Coldewey von der nordmedia moderiert wurde. Heiner Backensfeld, beim WDR in Köln zuständig für Dokumentarische Unterhaltung, beobachtet seit 2004 für die ARD die internationalen TV-Märkte. Er fordert von sich und den Produzenten mehr Innovation. Langweilige Magazine gäbe es genug, wenn also Neues angeboten werde, sollten dabei Spannungsfelder wie Wettbewerbe oder Prominente eingebaut werden. Dr. Michael Heiks, Geschäftsführer von TV plus in Hannover beklagte den fehlenden Formatschutz im deutschen Urheberrecht. Insgesamt seien die Produzenten nach wie vor die Werkbank der Sender, Kreativleistungen würden nicht honoriert, von einer Wertschöpfungspartnerschaft sei man noch weit entfernt.
Ähnliche Erfahrungen schilderte Michaela Hummel, Geschäftsführerin von Studio Hamburg DocLights, obwohl das Studio eine 100-prozentige Tochter des NDR ist. In DocLights werden seit Ende Mai 2010 die non-fiktionalen Bereiche Factual Entertainment, Dokumentation und Naturfilm gebündelt.

Fazit: der deutsche TV-Markt ist der fünftgrößte der Welt, das Programmangebot des deutschen Fernsehens ist nach wie vor eines der der Besten und bleibt es hoffentlich auch. Und wer noch mehr wissen möchte über den Markt der TV-Formate sollte sich den „FRAPA Report TV Formats To The World“ anschauen.

Weitere Infos: www.frapa.org

Karl Maier
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 21. September 2010 um 11:03 Uhr