Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2010 Nadia Nashir-Karim - Medien bauen Brücken
Nadia Nashir-Karim - Medien bauen Brücken PDF Drucken E-Mail
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Ein Stück von Afghanistan? Das gibt es auch in Osnabrück! In einem Hinterhaus im Katharinenviertel duftet es oft nach orientalischen Tees, auf den Schreibtischen liegen nach Rosenwasser duftende Zuckermandeln, da werden Akten geordnet, Briefe geschrieben und am Telefon auch schon mal auf Dari geantwortet. Hier befindet sich das Büro des Afghanischen Frauenvereins. Seit 18 Jahren betreut die Wohltätigkeitsorganisation erfolgreich Projekte, die afghanischen Frauen, Kindern und Flüchtlingen neue Perspektiven geben, etwa durch neue Schulen, Brunnenbohrungen oder Kliniken. Das ist, wie Nadia Nashir- Karim, Vorsitzende und Leiterin der Hilfsorganisation meint, eine nicht immer einfache Aufgabe. Und zeigt gerade im Falle von Afghanistan, dass vieles auch von der Medienberichterstattung abhängt.

Spenden und Medienberichte
Wie zum Beispiel jetzt, während der Flutkatastrophe in Pakistan. ›Dank der Berichterstattung vom Elend in den überschwemmten Gebieten steigt auch die Spendenbereitschaft‹, so Nadia Nashir- Karim. Auch zwei Projekte, die der Afghanische Frauenverein in Pakistan betreut, müssen wiederaufgebaut werden, da sie durch die Katastrophe zerstört wurden. ›Doch leider fehlt meist die Nachhaltigkeit in den Medien. Denn obwohl es wichtig ist, den Menschen gerade jetzt aus ihrer ärgsten Not zu helfen, droht langfristig eine Hungersnot.‹ Denn: ›Die Ernte ist vernichtet und es fehlt nächstes Jahr an Saatgut und Dünger. Wichtig ist also auch eine langfristige Sicht‹, so Frau Karim, ›was aber leider oft verdrängt wird‹.
Werden sich die Medien abwenden, wenn die Tagesaktualität neue Themen gefunden hat? Wird Afghanistan vergessen werden, wenn die westlichen Soldaten ihre Basen verlassen haben? Die Geschichte zeigte es: Schon einmal ist das Land aus dem Blickfeld geraten. 1992, als die sowjetischen Besatzer das Land verließen, war Afghanistan kein Nachrichtenthema mehr und wurde erst nach dem 11. September 2001 wieder präsent.

Gründerin Afghanischer Frauenverein
Nichtsdestotrotz gründete sich 1992 der Afghanische Frauenverein. Seitdem kämpfen Nadia Nashir-Karim und ihre Mitstreiter nicht nur darum, den Menschen in ihrer Not zu helfen, sondern auch ein anderes Bild von Afghanistan zu liefern, abseits der Klischees und stereotypen Schwarz-Weiß-Malerei in den Medien. Ein Anliegen, dass sie schon früh umtrieb.
Aufgewachsen in Kunduz, kam Nadia Nashir-Karim 1975 nach Deutschland und studierte in Osnabrück Medienwissenschaft. Ihre Magisterarbeit untersuchte das Bild Afghanistans in den deutschen Medien. Gab und gibt es auch immer wieder positive Beispiele, so überwiegen oft auch Vereinfachungen. ›Dabei sind Zwischentöne in einem so vielschichtigen Land wie Afghanistan wichtig. So kann die Burka sicher auch ein Instrument der Unterdrückung sein, sie bietet den Frauen oft aber auch Schutz. Und eine Frau muss keinen Minirock tragen, um befreit zu sein‹, so Nadia Nashir-Karim. Weiter: ›Die afghanische Gesellschaft ist vielfältig. Nomadenfrauen bedecken ihr Gesicht nicht mit dem Schleier. Und dass alle Vollbart tragenden Männer wie böse Gotteskrieger erscheinen, ist auch ein Klischee. Meist sind es herzensgute und liebevolle Bauern.‹

Schirmherr Roger Willemsen
rb99_rogermaedchenschule-012005 besuchte sie mit Roger Willemsen ihre alte Heimat. Seit 2006 ist er auch Schirmherr der Organisation und setzt sich seitdem mit viel Engagement für den Verein ein. Seine Eindrücke verarbeitete der Journalist und Autor in dem Buch ›Afghanische Reise‹. Willemsen beschreibt darin den Alltag, die Hoffnung der Menschen auf Frieden, aber auch die reiche Kultur des Landes. Dabei war ihm stets wichtig, ›das Vertraute in der Fremde zu suchen‹. Auch Nadia Karim will ihr Land auf diese Weise näher bringen, andere Töne anklingen lassen. Als freie Journalistin berichtet sie immer wieder aus ihrer Heimat. In Radiofeatures lässt sie so etwa klassische afghanische Musik erklingen oder berichtet von mutigen Journalistinnen auf dem Lande.
Und in Afghanistan selber? Da erleben die Medien einen enormen Aufbruch. So senden inzwischen 22 TV-Sender, werden etwa 300 Zeitungen und Zeitschriften gedruckt und überall entstehen Radiostationen. ›Natürlich‹, so Nashir-Karim, ›gibt es Zensur und Schwierigkeiten, aber auch eine neue Offenheit. So muss sich die Regierung um Hamid Karzai viel Kritik gefallen lassen. Und die Presse wird immer besser: Viele, gut ausgebildete junge Journalisten steigen in den Beruf ein.‹
Wenn sie nicht gerade wieder vor Ort in Afghanistan Projekte besucht und unterstützt, kann sie via Satellit afghanisches Fernsehen empfangen, ›was für die meisten der 100.000 Exil-Afghanen in Deutschland eine wichtige Verbindung zur Heimat herstellt.‹ Und auch umgekehrt wüssten viele Afghanen einiges über Deutschland: ›Merkel, Guttenberg und Goethe – das sind auch in Afghanistan bekannte Namen.‹ Ein Land mit vielen Facetten also, in dem es noch viel mehr zu entdecken gibt. Aber das auch immer noch Hilfe braucht - auch außerhalb aktueller Ereignisse. Wer mehr über die Arbeit des Afghanischen Frauenvereins wissen möchte, kann das im Internet unter www.afghanischer- frauenverein.de tun.

Tobias Sunderdiek

Nadia Nashir-Karim ist seit vielen Jahren Mitglied im FMB Niedersachsen.

Spendenkonto
Afghanischer Frauenverein
Dresdner Bank Koblenz / Commerzbank AG
BLZ 570 800 70, Konto 0680 850 500

Fotos:
Nadia Nashir-Karim beim gespendeten Brunnen von Roger Willemsen.
Roger Willemsen in einer Mädchenschule in Kundus.
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 21. September 2010 um 10:12 Uhr