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Strandbeesten im Wettbewerb PDF Drucken E-Mail
... des CAMERIMAGE in Lodz - Ein Reisebericht
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Die Nachricht erreichte mich Ende Oktober an meinem Geburtstag. Mein Dokumentarfilm, Strandbeesten bekam eine Einladung zum Wettbewerb des Internationalen Filmfestivals CAMERIMAGE in Lodz, Polen. Der Film ist ein Portrait des niederländischen Künstlers Theo Jansen, den ich für den Film fünf Jahre begleitete. Den Film konnte ich 2006/2007 durch ein Stipendium und Filmförderung von nordmedia und der Stiftung Kulturregion Hannover fertig stellen und nach einigen kleineren Korrekturen habe ich ihn dann endlich 2008 bei den Festivals eingereicht.
Mit der Einladung zum CAMERIMAGE Festival war für mich als Kameramann ein Traum in Erfüllung gegangen, denn bei diesem Festival steht allein die Arbeit der Kameraleute im Mittelpunkt. Am 1. Dezember reisten Andreas Gockel, der mich bei einigen Drehs als Kameramann unterstützt hatte, und ich dann von Berlin aus nach Polen. Mit im Gepäck zwei Filmrollen, denn nordmedia hatte vorher zu meiner großen Freude noch eine 35mm Ausbelichtung des Films mitfinanziert.
Im Hotel in Lodz erwarteten uns dann schon Alexandra und Martin, zwei Studenten, die uns in den nächsten Tagen begleiten und in allen Fragen zur Seite stehen sollten. Eine tolle Betreuung seitens des Festivals. Die ganzen Tage pendelten wir nun zwischen dem Grand Theatre, dem Ort des Spielfilm-Wettbewerbs, dem Lodzer Kulturzentrum, dem Ort des Dokumentarfilmwettbewerbs und den Opus Filmstudios, in denen zahlreiche spannende Workshops stattfanden.
Strandbeesten sollte am Mittwoch laufen, so dass wir noch zwei ganze Tage zur freien Verfügung hatten. Am Spielfilmwettbewerb nahmen 16 Filme teil. Baader Meinhof Komplex, fotografiert von Rainer Klausmann, und Anonyma – eine Frau in Berlin von Benedict Neuenfels, waren die zwei deutschen Beiträge und im Großen Theater konnten wir so großartige Filme wie Slumdog Millionaire (DoP Anthony Dod Mantle) sehen.
Strandbeesten lief mit 22 anderen Filmen im Dokumentarfilmwettbewerb witzigerweise als niederländischer Beitrag. Aus Zuneigung zu dem Land und da Theo Jansen ja schließlich Niederländer ist, hatte ich damit aber kein Problem. In der Jury des Dokumentarfilm-Wettbewerbs saßen u.a Billy Williams (Director of Photography u.a. Sundy, Bloody Sunday und Gandhi) und u. a. Michael Chapman (DoP u.a. Taxi Driver und Wie ein wilder Stier). Es war für mich eine große Ehre meinen Film diesen Leuten, die man sonst aus Filmlehrbüchern kennt, zu zeigen.
Strandbeesten dann auf 35mm auf der großen Leinwand zu sehen, war ein tolles Erlebnis und trotz aller Nachrufe auf das Filmmaterial, hofft man in so einemAugenblick, dass das Medium Film noch lange überleben wird. Die Frage Film und/oder Digital beherrschte natürlich die Diskussionen, überall wo man mit Kollegen ins Gespräch kam. Roger Deakins (DoP u.a. Fargo, Dead Man Walking, Kundun) stellte in einem von ihm geleiteten Workshop auf die Frage nach der Zukunft des Materials Film, erst einmal die Gegenfrage ob der Kodak-Vertreter noch im Raum sei, um dann über die zunehmende Bedeutung des digitalen auch auf der Kameraseite zu sprechen. camerimage02_kleinAuf einem Stand der Arri-Media Group im Grand Theatre erzählte mir dann später ein Mitarbeiter, dass Arris digitale HDKamera, die Arriflex D20/21, schon einen Anteil von 15 Prozent am gesamten Arri- Verleihgeschäft in England ausmacht. Ein beachtlicher Anteil, in einem Geschäftsbereich, der bis vor kurzem noch komplett von Film dominiert wurde.
Doch trotz aller technischen Diskussionen um Formate und die Zukunft des Digitalen, ist mir die Geschichte in Erinnerung geblieben die Pierre Lhomme, der dieses Jahr für sein Lebenswerk geehrt wurde, in seinem Workshop über die Entstehung der Schlusssequenz von Cyrano de Bergerac erzählte. Diese eine Szene, in der Gérard Depardieu als Cyrano Bergerac seine bewegende Schlussrede hält, erstreckt sich vom Tageslicht bis in die Dunkelheit und wurde durchgängig an insgesamt vier Tagen als Außeneinstellung gedreht. Und so war es – ganz ohne die Werkzeuge des Digitalen – allein Pierre Lhomme’s Können und seinem genialem Umgang mit Licht, Farbtemperatur, Leuchten und Filmmaterial zu verdanken, dass diese Szene glaubhaft funktioniert.
Es ist nicht die Technik, es ist der Mensch, der sie bedient.

Alexander Schlichter


Info: www.strandbeestmovie.com
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. Februar 2010 um 13:24 Uhr