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drehen Dokumentarfilme zum Thema Khmer Rouge
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DMC Studenten interviewen Überlebende beim Besuch der ›Killing Fields‹ nahe Phnom Penh

Blick zurück - Blick nach vorn
Die Kamera zeigt Mean noch bei der Suche nach alten Fotos - Bilder von ihrem verstorbenen Mann, dem Sohn, der Schwester. Zwanzig Familienmitglieder hat die 71-Jährige während der Herrschaft der Roten Khmer in den 70er Jahren verloren. Fast zwei Millionen Kambodschaner starben damals als Häftlinge in den Foltergefängnissen und als ZwangsarbeiterInnen auf den Reisfeldern.
In dem Kurzfilm My Grandmother’s Story erzählt Mean Noch ihrer Enkelin zum ersten Mal von ihren Erlebnissen. ›Die Erinnerung tut weh‹, sagt sie, ›aber die Jungen sollen die Wahrheit erfahren.‹ Die 26- jährige Medienstudentin Sin Theary hat das Video im Rahmen eines Ausbildungsprojekts mit Studierenden am Department of Media and Communication (DMC) in Phnom Penh gedreht. Unter dem Titel ›Blick zurück - Blick nach vorn‹ sind dabei insgesamt zwanzig kurze Dokumentarfilme zum Thema Khmer Rouge Vergangenheit und Versöhnung entstanden: Geschichten vom Überleben, die vor allem auch das Verhältnis der unterschiedlichen Generationen ausloten.

Sprachlosigkeit überwinden
kambodscha02 Noch sind Filme junger KambodschanerInnen über die Pol Pot Zeit und ihre Folgen eine Seltenheit. Bisher wurden Reportagen und Dokumentationen über den kambodschanischen Genozid vor allem von ausländischen JournalistInnen und einigen wenigen Exil-KambodschanerInnen gedreht.
Anlässlich des Prozessbeginns gegen die letzten überlebenden Führer der Roten Khmer ist das DMC-Projekt deshalb ein Versuch, die Sprachlosigkeit zwischen den überlebenden (Groß-) Eltern und ihren Kindern und Enkeln zu überwinden. Viele Alten befürchten, die Jungen würden ihnen die traumatischen Ereignisse nicht glauben. Die Jungen wiederum spüren die Abwehr und wagen nicht zu fragen. Die Rote-Khmer-Vergangenheit zahlreicher Regierungsfunktionäre tut ihr Übriges: Über ein Schulbuch zur Khmer Rouge- Thematik wird seit Jahren gestritten, in den Schulen wird die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gezielt verhindert, statt gefördert.
Auch die Ausbildung junger Medienschaffender steckt nach dreißig Jahren Bürgerkrieg und der fast vollständigen Vernichtung einer ganzen Generation von Akademikern und Künstlerinnen noch in den Anfängen. Das 2001 gegründete DMC ist die einzige akademische Einrichtung, in der Studierende eine Einführung in Videoproduktion und dokumentarisches Arbeiten erhalten. Die Einrichtung einer Filmakademie ist zwar schon lange im Gespräch, aber noch immer nicht beschlossen. Umso wichtiger ist die Arbeit unabhängiger Medienprojekte, die die junge Filmszene seit einigen Jahren unterstützen.

kambodscha03Filmarchiv aufgebaut
Rithy Panh, neben Ex-König Norodom Sihanouk der einzige international bekannte kambodschanisch-französische Filmemacher, hat in Phnom Penh das Filmarchiv ›Bophana‹ aufgebaut. Hier werden nicht nur historische und zeitgenössische Filme über Kambodscha gesammelt und gezeigt, sondern auch praktische Film-Seminare angeboten. Auch der deutsche Filmemacher Nico Mesterharm organisiert neben Kunstausstellungen und Filmvorführungen Workshops für Nachwuchs- Filmemacher und Medienkünstlerinnen.
Die Produktionsfirma ›Khmer Mekong Films‹, gegründet vom BBC-Veteranen Matthew Robinson und seinem kambodschanischen Partner Millan Lov, bildet junge Kambodschaner nach dem Motto ›learning by doing‹ aus. Für viele DMC-Studierende ist die Firma, die Kinofilme und Auftragsproduktionen für Hilfsorganisationen produziert, ein wichtiges Vorbild.
Die kambodschanischen Print- und Rundfunkmedien, für die der Journalismus- Nachwuchs eigentlich ausgebildet wird, bieten dagegen kaum attraktive Arbeitsbedingungen: Ansehen und Löhne sind niedrig, die Hierarchien streng, Verlautbarungsjournalismus vorgeschrieben.
Deswegen träumt die 26-jährige Theary davon, einen Bürgersender aufzubauen, in dem die Bevölkerung ihre eigenen Sendungen produzieren und senden kann. Nach dem Kurzfilm über ihre Großmutter ist sie überzeugter denn je, dass der Blick zurück und der Blick nach vorn zusammen gehören. ›Ich will Filme machen‹, sagt sie, ›die an die Vergangenheit erinnern, aber auch Lust auf Zukunft machen.‹

Isabel Rodde

Isabel Rodde ist Medienpädagogin und Journalistin und lebt in Hannover und Flensburg.Von Oktober 2005 bis Oktober 2008 unterrichtete sie am ›Department of Media and Communication‹ in Phnom Penh Radio- und Video-Produktion und Medienethik. Eine Auswahl der Kurzfilme ›Looking Back – Looking ahead‹ war bereits im Hochhaus-Kino in Hannover zu sehen. Weitere Vorführungen sind geplant.
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Bild 1: Filmvorführung in der Provinz
Bild 2: Nachwuchs-Filmemacherin Sin Theary (rechts) mit ihrer Großmutter Mean Noch
Alle Fotos: Rodde/DMC


Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 17. Februar 2010 um 11:52 Uhr