Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2009 Walk of Fame - Film und Filmen in der Schule
Walk of Fame - Film und Filmen in der Schule PDF Drucken E-Mail

Ein Tagungsbericht

walk_of_fameEin Virus geht um. Dabei handelt es sich um den Filmvirus, der keineswegs zu fürchten, dafür sehr ansteckend ist, bei den Infizierten um Lehrer - ein paar Dutzend cineastischer Pädagogen, die es sich zur idealistischen Aufgabe gemacht haben, Film an Schulen zu unterrichten, obwohl dies in keinem Bundesland verpflichtend, oft nicht mal erwünscht ist.
Die bundesweite Einführung des Zentralabiturs und in vielen Bundesländern die Verkürzung des gymnasialen Zweiges von neun auf acht Jahre setzen sowohl Schüler als auch Lehrer unter Druck.
Freiräume, die Schlüsselkompetenzen vermitteln könnten, innerhalb der Lehre zu schaffen, gefährdet den schulischen Erfolg und somit die berufliche Zukunft der Schüler. Umso löblicher und bewundernswerter erscheint also das Bedürfnis einer Gruppe von Lehrern, ausgerechnet in diesen Zeiten etwas zu fordern, was völlig mit dem Trend der Rationalisierung von Schulzeit und dem Effizienzmachen vom Lernen bricht: Medienkompetenz und Filmbildung sowohl rezeptiv als auch produktiv an deutschen Schulen als didaktische Methode, als künstlerischen Ausdruck sowie persönlichkeitsbildende Möglichkeit einzusetzen.

Unterdrückte Film-Gesinnung walk_of_fame02
Ein weiterer Impulsgeber für die Verbreitung der unterdrückten Film-Gesinnung kreativer Köpfe an deutschen Schulen war unlängst das kleine Städtchen Wolfenbüttel, wo Burkhard Inhülsen und Claudia Wenzel vom Internationalen Filmfestival ›up-and-coming‹ in Kooperation mit der dort ansässigen Bundesakademie für Kulturelle Bildung zur Fachtagung ›Walk of Fame – Film und Filmen in der Schule‹ einluden. Nicht nur die rund 70 Anmeldungen aus ganz Deutschland für diese Tagung sind ein weiterer Beleg für das Bedürfnis, sich in den praktischen Ergebnissen auszutauschen, vielleicht gemeinsame theoretische Leitlinien zu entwickeln und der Brisanz des Themas, besonders der digitalen Medien, über adäquates Einbringen in den Schulunterricht gerecht zu werden.
In Bayern wurde bereits ein Weg in diese Richtung gefunden. Durch die von Sabine Blum-Pfingstl vorgestellten Kompetenzzentren Film - Schulen mit einem von der Hochschule für Fernsehen und Film München und der Bavaria Film in zweijährigen Kursen weitergebildeten Filmlehrer - gibt es seit 2007 die Möglichkeit für Schüler ihre Filmarbeit als abiturrelevante Leistung behandeln zu lassen.
Auch in anderen Bundesländern wird Dank des Engagements von enthusiastischen Lehrern, in Form von Wahlpflichtfächern, Seminarfach oder Arbeitsgemeinschaft das filmische Reservoir der Schüler angezapft. Meistens jedoch werden Splitter von Filmbildung in verschiedene Fächer integriert – besonders im Kunstunterricht, jedoch auch in Musik, Deutsch und Englisch sowie in Gemeinschaftskunde und Geschichte. Ebenso zahlreich wie die Einsatzmöglichkeiten von Film in der Schule, sind auch die Intentionen der Lehrer, diesen in den Unterricht einzubeziehen.

Lernen mit Dokumentarfilmwalk_of_fame03
Besonders dokumentarischer Film als Lern- und Lehrmethode bewegt sich in vielfacher Weise im Bereich der Medienkompetenz. Neben dem Erlernen der technischen Möglichkeiten und der Gesamtplanung einer aus verschiedenen Stufen bestehenden Produktion wird eine Form der Berichterstattung oder Reportage angewendet, die ebenso wie journalistisches Schreiben Teil des Deutschunterrichts ist, und die in den allgemeinen Bildungskanon jeder Schulform gehört. Zunächst scheint es erforderlich – besonders in der medialisierten Welt von Kindern und Jugendlichen aller Altersgruppen – das Sehen und Gebrauchen von Film-, Fernseh- oder Digitalbildern reflektieren zu lernen. Gerade im Herstellen eigener Filme erfolgt dieses vertiefte Verständnis auf der Rezeptionsebene, was eine Erkenntnisqualität für die Schüler bedeutet.
Noch interessanter als den Film, der immer teamorientierter Gruppenprozess sein muss, als didaktisches Mittel zu betrachten, erscheint jedoch das künstlerische Potential der Schüler in diesem Bereich zu fördern. Die Fachtagung in Wolfenbüttel war auch eine Plattform für die Präsentation zahlreicher Arbeiten von Schülern: Musikclips, Dokumentarfilme, Gedichtverfilmungen, Trailer und Kurzspielfilme.
Die Bandbreite der Genres ist groß – ebenso wie jene der Qualität. Burkhard Inhülsen, Kunstpädagoge und künstlerischer Leiter von ›up-and-coming‹, versuchte in einem Workshop gemeinsam mit Tagungsteilnehmern Kriterien zur Qualitätssicherung des Schülerfilms zu finden. Schnell stößt man an klassische Bewertungskriterien, die auch auf große Spielfilme angewendet werden und wohl kaum angemessen für Schülerfilme sind. Schülerfilme finden unter enorm verkürztem Zeitaufwand statt und kapitulieren häufig vor der Technik. Sie werden in viel zu großen Gruppen von Lehrern angeleitet, die zwar voll der guten Absicht, jedoch selbst zumeist absolute Laien sind. Daher sollten die Filmlehrer sich auf jene Wege besinnen, die es ihnen ermöglichen, innerhalb dieses Rahmens ein gutes Ergebnis zu erzielen.

walk_of_fame04Arbeit mit Fernseh-Found-Footage
Ein Modell für die Möglichkeiten der praktischen Filmarbeit stellte der Hamburger Kunstlehrer Klaus Küchmeister vor, der überwiegend mit Fernseh-Found-Footage, also mit gefundenem Bildmaterial, arbeitet, das er seine Schüler neu montieren lässt. Der Umgang mit dem Material schult den filmischen Blick und die Reduktion auf einen Teilbereich der Filmproduktion erleichtert das Arbeiten.
Ebenso führte Thomas Brückler aus Bensheim mithilfe von Green Screen seine muntere 33-köpfige 6. Klasse zu einem sehenswerten Ergebnis, das bei wechselnden Drehorten sicher nicht zustande gekommen wäre. Auch Animationsfilme, Handyfilme, Machinima und Videoclips sind Hoffnungsträger für eine Filmarbeit an der Schule, die auch ohne umfangreiche technische Mittel umsetzbar ist und außerdem in einen Bereich eindringt, der zwar in den Schulen eher Angst und Schrecken verbreitet, jedoch im Leben der Schüler einen großen Raum einnimmt.
Das anfängliche Einhalten des selbstgesetzten Rahmens würde die Dokumentationen, die lieber Hörspiele geblieben wären und Kurzfilme, die an nachgespieltes Fernsehprogramm erinnern, seltener machen und stattdessen die Leinwand öffnen für hoffnungsvolle Talente, die etwas wagen und deren technische Unbeholfenheit hinter ihrer Originalität unsichtbar wird, deren Radikalität der Ideen die biederen Vorlagen vernichtet und dem instinktiv Unverfälschten, die Frische und auch das Vergnügen am Machen im Ergebnis präsent macht.

Struktur und Richtlinien fehlen
Das ›up-and-coming‹-Festival in Hannover verleiht alle zwei Jahre für diese besonders gelungenen Filme von jungen Regisseuren den mit einer Produzentenpatenschaft verknüpften Nachwuchsförderpreis und verzeichnet eine langjährige Tradition des Entdeckens, Begleitens und Förderns von Talenten. Filmemachen an der Schule muss kein Luxus sein. Das Hauptproblem scheint, dass es noch kaum vorgegebene Strukturen oder Richtlinien für Schulen gibt und es daher engagierter Ideen bedarf, die neuen Lehrinhalte durchzusetzen und zu finanzieren.
›Kulturelle Bildung‹ als Schulfach, wie es Thomas Lang von der Bundesakademie fordert, scheint nur eine weitere mögliche Lösung für die ordentliche Integration von unverzichtbaren Inhalten der Medienkompetenz und Filmbildung in den Unterricht zu sein. Immer klarer wird jedoch der Ruf, überhaupt den Film, das Fernsehen, die neuen Medien als Gegenstand, als Mittel und als praktische Erprobung zu begehen.

Vanessa Aab

Infos: www.filmlehrer.de

Bild 1: Burkhard Inhülsen vom Internationalen Filmfestival ›up-and-coming‹
Bild 2: Klaus Küchmeister
Bild 3: Claudia Wenzel, Filmfestival ›up-and-coming‹
Bild 4: Sabine Blum-Pfingstl, Kompetenzzentren Film
Fotos: Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. Februar 2010 um 11:34 Uhr