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Dreh zum Kinofilm “66/67“ in Braunschweig

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Das Filmteam beim Dreh in Braunschweiger Eintracht-Stadion. | Foto: nordmedia

1966/67 war die Saison – das weiß man sogar in Hannover – in der Eintracht Braunschweig sensationell Deutscher Fußballmeister wurde. Wer nun gedacht hat, der Arbeitstitel des vom Regisseurduo Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser in Szene gesetzten Stoffes würde auf ein kleines „Wunder von Braunschweig“-Epos hindeuten, der sieht sich zum Glück getäuscht. Erzählt wird die Geschichte einer Gruppe junger Männer, die sich mit einer 66/67-Tätowierung das Versprechen gegeben haben, immer füreinander einzustehen.
Produzent Alexander Bickenbach (Frisbeefilms) sagte dazu auf einer Pressekonferenz am 21. Juli in Braunschweig, „66/67“ sei ein Fanclubname, der natürlich auf den Meistertitel anspiele aber für Traditionsbewusstsein stehe. Der Film habe ansonsten den „vollen Gegenwartsbezug“. Die sechs Jungs, um die es hier gehe (verkörpert von Christoph Bach, Fabian Hinrichs, Maxim Mehmet, Christian Ahlers, Fabri Ogün Yardim und Aurel Manthei) sind Freunde, die dahinter kämen, dass es eigentlich Wichtigeres gäbe, als Fußballfan zu sein. Aber die Tradition, der Treueschwur, hinter der jedoch der tiefe Wunsch nach einer unantastbaren Konstanten im Leben stecken würde, führe dazu, dass die anstehenden wichtigen Entscheidungen des Lebens aufgeschoben werden. Daraus bestünde das Konfliktpotential des Films.
Christoph Bach ergänzte, die Figuren würden gewissermaßen zu einer Sollbruchstelle in ihrer Biografie gelangen und jeder für sich erwachsen werden, mit Auswirkungen auf die Freundschaften.
So eine Pressekonferenz, an der neben Produzent Bickenbach und Schauspieler Bach auch die Schauspielerin Melika Feroutan, der Produzent Jon Handschin (Jetfilm) sowie der Geschäftsführer von Eintracht Braunschweig, Sören Oliver Voigt, teilnahmen, ist immer ein guter Gradmesser dafür, wie bestimmte Stoffe in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Gerade dort, wo es nicht selbstverständlich ist, wenn ein Filmtross für Dreharbeiten zu Gast ist, sind es oftmals äußerliche Dinge, die von der lokalen Presse abgefragt werden.
fussball02Die Figurenbezogenheit der Story tritt dabei – wohl naturgemäß - zunächst einmal in den Hintergrund. So war es der Dreh am Vortag des Pressetermins im Stadion An der Hamburger Straße, der hier das Interesse auf sich zog. Die Frage aus dem Presseraum nach dem Anteil der Fußballszenen im Film konnte von den Produzenten natürlich nicht konkret mit Zahlen beantwortet werden, da es sich ja nicht um einen Film über Fußball, sondern um einen Film über Fans und deren reale Probleme handeln würde. Die Szenen im Stadion würden am Ende fast nur die Fans zeigen, das Geschehen auf dem Platz hätte damit unmittelbar nicht viel zu tun.
Trotzdem war auch nach dieser Stellungnahme ein anderer Vertreter der lokalen Presse besorgt, warum man zu dem wichtigen Dreh während eines Life-Spiels der Eintracht nicht ein bedeutendes Punktspiel ausgewählt hätte, anstatt eines Freundschaftspiels wie an dem Sonntag,bei dem die Stimmung im Stadion nicht vergleichbar gewesen sei. Produzent Jon Handschin machte klar, Dreharbeiten würden immer einen Kompromiss bedeuten. Einen Film würde man sich immer „zusammenlügen“. Im Normalfall, wenn es um viel geht, wird es kaum möglich sein, im (berüchtigten Fan-)Block der Eintracht die Dreharbeiten unter Kontrolle zu halten. Außerdem würde ein Film nicht allein durch die Originalstimmung an Originalschauplätzen entstehen. Zum einen mache die Kameraperspektive viel aus - und hier wird ausdrücklich die Kameraarbeit von Ngo The Chau gelobt - zum anderen bestimmten der Schnitt und die anderen Schritte der Postproduction den Rhythmus der einzelnen Szenen und entsprechend wären diese beeinflussbar.
Mehr auf den Inhalt bezogen war eine Frage nach der historischen Einordnung und zur sozialen Problematik im Film, insbesondere zur Fremdenfeindlichkeit. Produzent Alexander Bickenbach wiederholt noch einmal, es sei kein historischer Film, sondern ein „heutiger“ Film. Ein realistischer und ehrlicher Film, bei dem es um die Probleme der Gruppe/der Freunde ginge, bei denen Fremdenfeindlichkeit kein Thema sei. Dementsprechend sei es auch nicht Thema des Films.
Später, beim Fototermin im Stadion, unterstrich auch Regisseur Carsten Ludwig, in Braunschweig aufgewachsen und seit Kindheitstagen ein großer Anhänger der Eintracht, dass Fußball lediglich ein Subthema in dem Film sei. Beim Dreh am Vortag im Stadion sei er allerdings so aufgeregt wie nie zuvor bei einem Drehtag gewesen, da er sich damit einen Traum verwirklicht habe.
Wenn am Ende das fertige Werk – laut Logline ein junger und kompromissloser Film – in seiner Figurenkonstellation eine Erzählweise findet, die sich von üblicher Coming-of-Age-Kost absetzt, können wir uns auf einen interessanten Kinobesuch im Frühjahr 2009 freuen.

Andreas Utta

Bild: Die Regisseure Carsten Ludwig und Jan-Christoph Glaser im Interview.
Foto: Andreas Utta


Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 02. März 2010 um 11:33 Uhr