Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2008 Schwarzer Film in Yaoundé/Kamerun
Schwarzer Film in Yaoundé/Kamerun PDF Drucken E-Mail
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Es war nicht ganz – und auch nicht die ganze - „Le monde du cinéma“, so wie sie Kameruns Kulturministerin in ihrem Vorwort im Festivalkatalog auf den „Ecrans Noirs“ 2008 zum nunmehr 12. Mal Anfang Juni in Yaoundé versammelt sah. Es war vielmehr die frankophone Welt des afrikanischen Kinos. Auch wenn Festivalchef Bassek ba Kobhio sich auf einer der täglichen Pressekonferenzen veranlasst sah, dieser Interpretation des Festivalprofils zu widersprechen: Es waren vielleicht 10% der gezeigten Filme, die das anglophone Afrika repräsentierten oder die anderer Provenienz (Israel, Deutschland) waren.
Die zentrale Diskussion um die deutschen Filme, die im Rahmen der German Documentaries - Präsentationen der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK) und mit Unterstützung von German Films und des Goethe Instituts in Yaoundé liefen, ging dann auch – ebenfalls im Gewand einer Pressekonferenz – um die Frage, was ein Dokumentarfilm wie Sven Halfars „Yes I am!“ auf den „Ecrans Noirs“ zu suchen hat. „What justifies your presence“? (O-Ton aus der Pressekonferenz, ausnahmsweise in englisch), wurde gefragt, wenn es sich doch „nur um afrikanische Deutsche“, um in Deutschland geborene Schwarze handele, von denen der weiße(!) Regisseur erzählt.
Le cinéma africain, das ist nicht zu leugnen, ist das französischsprachige afrikanische Kino. Wenn Lambert Nzana sich in seinem kamerunischen Dokumentarfilm Autopsie du cinéma africain von sieben afrikanischen Regisseuren und Regisseurinnen erzählen lässt, wie es um das afrikanische Kino bestellt ist, dann sprechen diese alle französisch, und selbstverständlich hat der Chef der „Cooperation secteur TV“ der Organisation Internationale de la Francophone in Paris da mitzureden. Die finanzieren schließlich das afrikanische Kino.
Und schließlich ist einer der drei Hauptspielorte das Centre Culturel Francais Francois Villon in Yaoundé, das über ein ansehnliches Kino verfügt. Im Gegensatz zum Festivalkino Abbia, das seinen heruntergekommenen Eindruck gar nicht erst zu verbergen sucht: der cineastische „Temple de la Culture“ hat zwar Hunderte von Sitzen, von denen rund die Hälfte kaputt oder zerstört sind, aber es soll das einzige in dieser Millionenstadt sein, das überhaupt noch geöffnet bleibt. Es ist angesichts der Größe des Saales meist nur eine verlorene, kleine Schar von Zuschauern, die sich hier die Festivalfilme anschaut. Mit rund 30 Zuschauern pro seànce ist das Interesse nicht sonderlich groß. Und dabei geht man auch noch ständig rein und raus, nicht nur zum andauernden Telefonieren, sondern wie es aussieht, einfach nur so.
Mehr Zuspruch findet da schon die Festivaleröffnung als gesellschaftliches Ereignis im Internationalen Kongresspalast, der wie ein richtiger Tempel auf einem der yaoundischen Hügel thront. Ein Schaulaufen auf der Außentreppe, eins im Foyer, die durch zahlreiche Kamerateams und etliche Fotografen dokumentiert werden, die jeden, der eintrifft, ablichten, und noch während der Veranstaltung die hoch glänzenden fotografischen Ergebnisse anbieten. Man muss dabei gewesen sein! Die Veranstaltung selbst ist aber auch zwei Stunden nach Beginn noch ein ständiges Kommen. Im Mittelpunkt stehen zunächst die bewegten Bilder der Eröffnungsgala des vorjährigen Festivals (gleicher Ort, gleiches Publikum?), die dann auch lautstark vom Publikum kommentiert werden. Darauf folgend die Statements der Sponsoren (Orange, Mobiltelefonnetz) ebenfalls als Video oder des französischen Botschafters, der so folgere ich selbst nicht erschienen ist und ebenfalls via Leinwand alles Gute wünscht.
Ebenfalls gut frequentiert sind die Open Air - Aufführungen im Festivaldorf, einer kleinen Zeltstadt neben dem örtlichen Hilton mit Händlern, mit den Diskussionsrunden während der Pressekonferenzen, dem umfangreichen Bierverkauf eines der weiteren Hauptsponsoren des Festivals (Beaufort - der zum Zeitvertreib mutige Zuschauer permanent seine eigenen TShirts bei albernen „Tanzdarbietungen mit Bierflaschenaustrinken“ gewinnen lässt), dem Festivalrestaurant, den Life Musikund Tanzacts. Leider fällt die erste Open Air - Vorstellung aus, da die Leinwand sich doch nicht wie vorgesehen auf dem festen Untergrund stabilisieren lässt.
Auf einem weiteren Hügel ist das Goethe Institut gelegen – ebenfalls Aufführungsort des Festivals - na ja, eigentlich thront es dort ebenfalls in Sichtweite des Kongresspalasts. Hier wurde einer der dritte der deutschen Beiträge des Festivals präsentiert: Der von der nordmedia geförderte Dokumentarfilm Shoot Back – Geschichten aus der Unterwelt von Katharina Kiecol und Michael Trabitzsch.

Stärker als die Angst
schwarzer_film03Einen deutschen Dokumentarfilm, der ein kamerunisches Thema hat, teilweise in Kamerun gedreht und von der nordmedia sowie dem Filmbüro Bremen gefördert wurde, hat Ulrike Westermann realisiert. Sie stellte ihren Film Stärker als die Angst in zwei Aufführungen in Yaoundé persönlich vor. Es handelt sich nicht nur um die Rekonstruktion des Todesfalls des 15-jährigen Kameruners Solomon Fusi, der als blinder Passagier vor 10 Jahren in ein Flugzeug kletterte und beim Landeanflug in Deutschland zu Tode kam, sondern auch um die Suche nach der Wahrheit (besser: nach den Wahrheiten). So traurig sein Schicksal auch ist, zeigt der Film doch die Anziehungskraft Europas für junge Afrikaner lange vor den aktuellen Diskussionen um die Festung Europa und die illegal übers Meer kommenden Emigranten.
In Anwesenheit von Familienangehörigen fand eine Vorführung beim „Institut des Relations Internationales du Cameroun“ an der Universität von Yaoundé II statt, der eine einstündige Diskussion mit dem Publikum folgte. „Die Eltern müssen diesen Film sehen!“, sagte Christopher Mainemo von der Bischofskonferenz. Er arbeitet in der Lehrerfortbildung und spricht als Vater, wie er sagt. Aber er spricht als milder Vater, er würdigt die Energie und den starken Willen eines Jungen, der sein Leben aufs Spiel setzt, um der Armut und vor allem der Hoffnungslosigkeit zu entkommen.
Jugendliche brauchen Vorbilder und Perspektiven, die sie ermutigen, ihre Energie auf die Veränderung zu Hause zu setzen, anstatt sie für ihre europäischen Träume zu vergeuden, die sich für die meisten ohnehin nicht erfüllen. „Es ist Aufgabe der Eltern“, sagt Christopher, „die Kinder in diesem Sinne anzuleiten“. Sein Statement ist ein Appell, die Verantwortung für die Zukunft der Kinder zu übernehmen.
So soll der Film auch eingesetzt werden in der inner-kamerunischen Debatte um Emigration. Anderseits ist es auch ein Film über die deutsche Reaktion auf einen afrikanischen Jungen, der wohl als lebender Illegaler nicht so pietätvoll in einem württembergischen Dorf aufgenommen worden wäre, in dem er jetzt beerdigt ist.
Stärker als die Angst von Ulrike Westermann ist nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit der europäischen Sicht auf Afrika, sondern auch mit den kamerunischen gesellschaftlichen und familiären Strukturen. Stark ist der Wunsch nach Veränderung in Kamerun, doch die Hoffnung richtet sich immer wieder nach Außen. Jemand müsste helfen! „Ob ihr Film zum Ziel hat, die Jugendlichen von ihren Fluchtwünschen abzubringen“, fragt eine Zuschauerin Ulrike Westermann, „und was muss passieren, damit sie bleiben?“. Wir befinden uns in einem Konferenzsaal an der Uni und man darf annehmen, dass die Zuschauerin gut informiert ist und sicherlich eher als Ulrike weiß, was den Jugendlichen hier fehlt. Es kam ihr vor, so Ulrike später, als sei die Frage nicht nur getragen von der Hoffnung, sie könnte ein Rezept in der Tasche haben, sondern auch von dem Verlangen, sie selbst stellvertretend für Deutschland in die Pflicht zu nehmen.

Kamerunische Filme
schwarzer_film04An einheimischen Produktionen waren vor allem zahlreiche Kurzspielfilme zu sehen. Fast alle transportieren ihre Botschaften mit Dialogen in teils heftigen Disputen zwischen den Darstellern (zumeist Beziehungskonflikte). Diese agieren da eher als Theater-, denn als Filmschauspieler, denen die Zuschauer dann auch entsprechend theatralisch kommentierend und klatschend folgten. Allen ist außerdem eine schlechte Tonqualität zu Eigen.
2007 hatte das Goethe Institut mit der kamerunischen Regisseurin Ariane Astrid Atodij einen Dokumentarfilm produziert, der in Form und Sujet sich sehr unterscheidet von den kamerunischen Filmen, die während des Festivals zu sehen waren. Thérèse ist das sehenswerte Portrait des Tagesablaufs einer Frau und eines ihrer Söhne.
An Dokumentarfilmen ragte weiter Riskou heraus, eine Produktion von Onore productions von Arice Siapi, die den alten Schlachthof und die daran gekoppelten Arbeitsplätze in einer nordkamerunischen Stadt dokumentiert. Und nebenbei dem staunenden deutschen Zuschauer mitteilt, das wirklich alles, was „an einer Kuh dran ist“, auch genutzt werden kann.
Insgesamt scheint mir der Dokumentarfilm nicht die Rolle zu spielen, die er spielen könnte, und viele, auch nationale Konflikte werden eher in Spielfilmen verarbeitet oder verpackt. Was vielleicht nicht ganz so gefährlich ist, als wenn man Themen wie Korruption oder Emigration dokumentarisch darstellen würde.

Kooperation zwischen Deutschland und Kamerun?
Nun sollte man vermuten, da gebe es bereits Einiges, da Deutschland an der Geschichte Kameruns ja nicht ganz unbeteiligt war. Aber anders als bei Namibia scheint sich kein deutscher Dokumentarfilmregisseur der seinerzeitigen deutschen Kolonie gewidmet zu haben. Gibt man bei Google „deutsch-kamerunische Filmproduktionen“ als Suchbegriff ein, wird man zurückgefragt, „meinten Sie deutschkoreanische?“. Im Weiteren stößt man nur auf zwei deutsche Filme, Unser Kamerun von 1939, der im Auftrag des faschistischen Reichskolonialbunds entstanden ist, und auf (eigentlich derselbe Titel) Unser Haus in Kamerun, einem deutschen Spielfilm von 1965 mit Johanna von Kochcian und Götz George, der sicherlich auch nicht einem realistischen Bild Kameruns gerecht wird. Erstaunlich ist das schon, so dass es Zeit wird, da etwas mehr zu tun.
Was alles denkbar ist an Kooperation zwischen Deutschland und Kamerun, ist in den „Ecrans Noirs“-Tagen intensiv auf einem Workshop der AG DOK und des Goethe Instituts diskutiert worden, wobei vieles nur eingeschränkt angesprochen werden konnte. Mit einigen Produzenten und Regisseuren, die in der Association des Producteurs indépendents du Cameroun (APIC) engagiert sind, ist ein weiterer Workshop vereinbart worden, dem 2009 ein Koproduzentenforum folgen könnte.
Ich denke, es gibt eine ganze Reihe von Kooperationsmöglichkeiten. Das Interesse jedenfalls der Dokumentarfilmproduzenten ist bereits so konkret vorhanden, dass sie schon einen Zeitplan bis 2009 vorgestellt und sich um Modalitäten der Auswahl deutsch-kamerunischer Koproduktionsprojekte Gedanken gemacht haben. Jetzt müssen die potentiellen Partner, Goethe Institut Yaoundé und Ecrans Noirs auf kamerunischer Seite, AG DOK und German Films (und weitere?) auf deutscher, konkrete Umsetzungsschritte beschließen. Sonst bleibt, wie einer der Zuschauer bei einer zunächst missglückten DVD-Vorführung bemerkte, die Leinwand in Bezug auf die angestrebte Kooperation tatsächlich schwarz - wie des Festivals Name nicht verstanden werden sollte.

Jörg Witte mit Ulrike Westermann
PS: Übrigens kennt das hiesige Rechtschreibprogramm das Wort „kamerunisch“ auch nicht.

Bild 1: Lambert Nzana, Regisseur des kamerunischen Dokumentarfilms Autopsie du cinéma africain.
Bild 2: Das Festivalkino Abbia | Alle Fotos: Jörg Witte
Bild 3: Pressekonferenz
Bild 4: Plakat zum Dokumentarfilm Riskou
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 02. März 2010 um 11:18 Uhr