Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2006 An welchen ›Tatorten‹ wird gefördert?
An welchen ›Tatorten‹ wird gefördert? PDF Drucken E-Mail
K l e i n e A n f r a g e mit Antwort
Wortlaut der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Alice Graschtat, Amei Wiegel (SPD), eingegangen am 13.02.06. Niedersächsischer Landtag, 15. Wahlperiode Drucksache 15/2775.

Der Landtag hat mit Beschluss vom 26.01.2005 die Landesregierung u. a. gebeten,
  • darauf hinzuwirken, dass eine Förderung von Serien-, TV- oder Filmproduktionen möglichst nur als Anschubfinanzierung erfolgt; zumindest sollten niedersächsische Produzenten einbezogen werden;
  • gegenüber dem NDR darauf hinzuwirken, dass bei der Förderung durch die nordmedia eine Mischung aus ›Experimentellem‹ und ›zuschauerattraktiven Projekten‹ erzielt wird;
  • zu prüfen, ob es angeraten ist, durch eine Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes künftig festzulegen, dass aus dem vorab für die Filmförderung insbesondere unabhängige Produktionen gefördert werden.

Die nordmedia hat mit Presseinformation vom 09.01.2006 die ersten Förderentscheidungen des Vergabeausschusses für das Jahr 2006 bekannt gegeben. Für 28 Projekte standen 1,5 Mio. Euro zur Verfügung. Es erhalten im Bereich Film-, Fernseh- und Multimediaproduktionen ›Mein alter Freund Fritz‹ von Dieter Wedel (Antragsteller MedienKontor Movie GmbH Berlin) mit 250 000 Euro sowie der Tatort ›Das namenlose Mädchen‹ (Antragsteller NDR Studio Hamburg Produktion Hannover) mit 227 386,78 Euro die höchsten Fördersummen (ein Drittel des insgesamt zur Verfügung stehenden Betrages).
Die Landesregierung hat den Landtag am 11.10.2005 darüber unterrichtet, dass sie es für sinnvoll hält, gesetzlich vorzuschreiben, dass künftig 10 % der Mittel aus dem Vorab für freie Produktionen zur Verfügung zu stellen sind, die nicht im Auftrag eines der Gesellschafter der nordmedia oder mit ihm gemeinsam zustande kommen. Bei einer entsprechenden Regelung würden der kulturellen Filmförderung 380 000 Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung stehen, die insbesondere zur Förderung von Nachwuchskünstlern verwendet werden könnten. Über eine dazu notwendige Ergänzung des § 51 Abs. 3 des Niedersächsischen Mediengesetzes wollte der Herr Ministerpräsident im Oktober mit dem Intendanten des NDR sprechen.
Sowohl der Landtag als auch die Landesregierung haben wiederholt das Interesse an einer Stärkung des Medienstandortes Niedersachsen bekundet. Eine wichtige Einrichtung für die Interessenvertretung von Medienschaffenden in Niedersachsen sowie die Kommunikation und Information in diesem Bereich ist seit fast 20 Jahren das Film & Medienbüro. Bis 2001 wurde diese Einrichtung institutionell vom Land Niedersachsen gefördert. Bis 2004 konnte das Film & Medienbüro durch Aufträge der nordmedia in Höhe von jährlich 115 000 Euro seine Arbeit fortsetzen. Durch die Einsparungen bei der nordmedia ist diese Förderung entfallen. Die Neuordnung der Kulturförderung durch das MWK im so genannten Dreisäulenmodell hat zum Abschluss von Zielvereinbarungen bis 2010 mit entsprechender Förderung durch das Land auch für die ›freien‹ Kulturverbände geführt.
Durch die Zuordnung der nordmedia und damit auch des Film & Medienbüros zur Staatskanzlei ist dieser Landesverband von der Förderung der Kulturverbände durch das MWK nicht erfasst. Durch den Wegfall der Landesförderung sind zwei Arbeitsplätze entfallen; die Verbandsarbeit wird zurzeit noch in sehr geringem Umfange ehrenamtlich geleistet.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
  • 1.Inwieweit erfüllen die beiden genannten Produktionen die vom Landtag festgelegten Kriterien ›Anschubfinanzierung‹ und ›Einbeziehung niedersächsischer Produzenten‹?
  • 2.Wie viele der bisher seit Herbst 2005 getroffenen Förderentscheidungen betreffen ›unabhängige Produktionen‹?
  • 3.Welche Anträge auf Förderung sind seit Herbst 2005 abgelehnt worden, und wie viele der Antragsteller kamen aus Niedersachsen?
  • 4.Hat es Gespräche des Herrn Ministerpräsidenten zur Änderung des § 51 Abs. 3 des Niedersächsischen Mediengesetzes mit dem Intendanten des NDR gegeben, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
  • 5.Welche Bedeutung für den Medienstandort Niedersachsen und die Interessenvertretung der Medienschaffenden misst die Landesregierung dem Film & Medienbüro zu?
  • 6.Hält die Landesregierung es im Vergleich zu anderen ›freien‹ Kulturverbänden für angemessen, dem Film & Medienbüro keine Förderung zu gewähren?
  • 7.Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung ggf. für eine Förderung des Film & Medienbüros?
(An die Staatskanzlei übersandt am 21.02.2006 - II/721 - 479)

Antwort der Landesregierung
Niedersächsische Staatskanzlei Hannover, den 22.03.2006 - 206-479/06 -

Das Land stellt im Jahr 2006 für die Film- und Medienförderung der nordmedia erneut 1 781 T Euro aus Konzessionsabgaben des niedersächsischen Lotterie- und Wettwesens zur Verfügung. Zusammen mit den Beiträgen der übrigen Gesellschafter der nordmedia stehen damit auch in diesem Jahr Fördermittel in Höhe von knapp 10 Mio. Euro zur Unterstützung von kulturwirtschaftlichen Projekten bereit.
Gefördert wird ein Mix von kulturell anspruchsvollen, aber auch massenattraktiven und daher wirtschaftlich interessanten Projekten. Darüber hinaus hält die Mediengesellschaft der Länder Niedersachsen und Bremen ein großes Serviceangebot für die Medienschaffenden vor. Sehr erfreulich ist, dass die nordmedia sich zwischenzeitlich im Kreis der regionalen Filmförderer in Deutschland etabliert hat und zu einer festen Größe für Produzenten und Medienschaffende geworden ist. Mit ihren Förderungen hat sie große Erfolge erzielt. Allein im letzten Jahr haben 17 von der nordmedia geförderte Film- und Fernsehproduktionen 31 Preise gewonnen. Insgesamt waren es seit 2001 107 nationale und internationale Auszeichnungen. Die nordmedia hat damit bewiesen, dass in Niedersachsen und Bremen Produktionen realisiert werden, die hohen kulturellen Ansprüchen genügen.
Auch bei der Standortförderung ist die nordmedia sehr erfolgreich. Ein Beleg dafür ist die aktualisierte Version des Media/ Production Guide, der nahezu 1 100 Einträge von Medienschaffenden aus Niedersachsen und Bremen ausweist. Die Internet- Version des Production Guide hat in der Kategorie ›Internet‹ den eMIL-Award der Region Hannover (Auszeichnung für hervorragende Leistungen im Bereich Multimedia) erhalten.
Bei Vergabeentscheidungen zugunsten massenattraktiver Vorhaben wie z. B. dem Tatort, der in der ARD ausgestrahlt wird, kommt es maßgeblich darauf an, Inhalte und Bilder aus Niedersachsen einem breiten Publikum nahe zu bringen. Ohne Fördermittel der nordmedia würden solche Formate weit überwiegend am Sitzort des NDR in Hamburg entstehen, weil der NDR dort oftmals preisgünstiger produzieren kann als in entfernter gelegenen niedersächsischen Gebieten. Als Folge aber würden auch die damit verbundenen wirtschaftlichen Effekte nur selten in Niedersachsen entstehen können. Die Förderung solcher Produktionen ist daher insbesondere aus medienwirtschaftlichen Gründen sinnvoll.
Dementsprechend verständlich und berechtigt war z. B. die große Freude in Lüneburg über die Auswahl als Standort für die erste norddeutsche Telenovela ›Rote Rosen‹, die ebenfalls mit Mitteln der nordmedia gefördert wird. Niedersächsische Produzenten und Dienstleister werden - wann immer möglich - bei den Förderentscheidungen berücksichtigt.
Leider ist dies noch nicht immer und überall möglich, weil noch nicht alle branchenspezifischen Dienstleistungen in Niedersachsen verfügbar sind. Aber die Tendenz ist hier positiv. Wenn man den Medienstandort Niedersachsen weiter entwickeln will, - und das ist erklärtes Ziel der Landesregierung - muss die Infrastruktur in diesem Bereich weiter ausgebaut werden. Hierfür darf sich die nordmedia nicht auf die Unterstützung von Kinoproduktionen beschränken. Maßgeblich bei der Förderung massenattraktiver ProdukRundbrief 82, Mai/Juni/Juli 2006 F I L M F Ö R D E R U N G 1 7 tionen ist insbesondere die Nachhaltigkeit der Effekte im Hinblick auf Qualifizierung und Beschäftigung. Sehr erfreulich ist daher, dass zunehmend auch große Produktionsunternehmen in Niedersachsen Zweigniederlassungen gründen. So ist zum Beispiel Studio Hamburg inzwischen auch in Hannover mit einer Niederlassung ansässig.
Die Gespräche zwischen den Gesellschaftern der nordmedia über eine Änderung und Präzisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Förderung verlaufen positiv. Die Landesregierung geht davon aus, dass hierüber bald konkret berichtet werden kann.
Zum Thema Film & Medienbüro: Die knappen finanziellen Ressourcen müssen auch in Niedersachsen wohl überlegt ausgegeben werden. Die Lage der öffentlichen Haushalte macht es immer schwieriger, die Film- und Medienschaffenden finanziell aus öffentlichen Kassen zu unterstützen. Hiervon ist nicht nur das Film- & Medienbüro betroffen. Es gibt jedoch zum Sparkurs des Landes keine Alternative. Für die Film- und Medienschaffenden bedeutet das, dass es Landesmittel über den Betrag hinaus, den das Land der nordmedia zur Verfügung stellt, nicht geben kann.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:
Zu 1: Weder der Tatort noch der Film ›Mein alter Freund Fritz‹ von Dieter Wedel sind serielle Formate, sondern in sich abgeschlossene Einzelproduktionen. Sie unterliegen daher nicht dem Kriterium der ›Anschubfinanzierung‹. Der Produzent des Tatorts ›Das namenlose Mädchen‹ hat seinen Sitz zudem in Hannover. Darüber hinaus transportiert gerade dieses Format über die deutschen Grenzen hinaus niedersächsisches Lokalkolorit und stärkt das Image des Landes. Die Förderung gleicht gewisse Kostennachteile für den NDR aus. Sie ist deshalb vertretbar und gewollt.

Zu 2: Seit Herbst 2005 hat die nordmedia elf Förderentscheidungen zugunsten unabhängiger Produktionen getroffen. Dabei handelt es sich um fünf Produktionsförderungen, vier Drehbuchförderungen und zwei Verleihmaßnahmen.

Zu 3: Aufgrund der begrenzten Fördermittel ist es regelmäßig nicht möglich, alle wünschenswerten Vorhaben zu fördern. Seit Herbst 2005 wurden 38 Anträge abgelehnt, davon kamen 23 Antragsteller aus Niedersachsen. Aus Gründen des Datenschutzes kann nicht mitgeteilt werden, um welche Anträge es sich handelt. Die Antragsteller, deren Anträge abgelehnt werden, sollen in parallel laufenden Verfahren bei anderen Fördereinrichtungen keine Nachteile dadurch erleiden, dass die Ablehnung bekannt wird.

Zu 4: Ministerpräsident Wulff hat im Oktober des vergangenen Jahres mit dem Intendanten des NDR u. a. über eine mögliche Änderung des § 51 Abs. 3 des Niedersächsischen Mediengesetzes gesprochen. Herr Prof. Plog hat signalisiert, dass der NDR die Zielsetzung der Gesetzesänderung durchaus nicht ablehne. Konkrete Ergebnisse werden in naher Zukunft vorliegen.

Zu 5: Das Film & Medienbüro ist in vielen Fällen ›Sprachrohr‹ der Filmschaffenden in Niedersachsen und wegen seiner Kompetenz insbesondere im Bereich der Filmkultur Ansprechpartner der Landesregierung. Da die Aktivitäten der Landesregierungen von Niedersachsen und Bremen zur Förderung der Medienstandorte bei der nordmedia gebündelt werden, kommt es vor allem darauf an, dass das Film & Medienbüro mit der nordmedia zusammenarbeitet. Ein Beispiel einer solchen erfolgreichen Kooperation ist der so genannte ›European Filmmarket‹, den das Film & Medienbüro im Rahmen der Berlinale für die nordmedia ausgerichtet hat.

Zu 6: Das Film & Medienbüro hat Projektförderung in mehr als nur marginalem Umfang erhalten und kann im Fall geeigneter Projekte auch weiterhin in den Genuss derartiger Förderung kommen. Mit beachtlichem Erfolg ist zum Beispiel im Oktober 2005 das Projekt ›Kurzfilmmagazin im Bürgerfernsehen‹ angelaufen, an dem das Film & Medienbüro maßgeblich beteiligt ist. Das Vorhaben wurde aus dem Landeskontingent bei der nordmedia in Höhe von knapp 30 000 Euro und von der Landesmedienanstalt in Höhe von 16 650 Euro gefördert. Richtig ist, dass die Richtlinie zur kulturwirtschaftlichen Film- und Medienförderung der nordmedia Fonds keine institutionellen Förderungen ermöglicht. In gleicher Weise erhalten auch andere Kulturverbände wie z. B. der Niedersächsische Chorverband, der Amateurtheaterverband oder der Landesverband Freier Theater ausschließlich Projektförderungen.

Zu 7: Gerade mit Blick auf die positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit dem Film & Medienbüro sind die Landesregierung und die nordmedia aufgeschlossen für etwaige Bemühungen des Film & Medienbüros, weitere Kooperationen mit der nordmedia im Bereich der Standortförderung anzustreben oder Anträge auf Projektförderung an die nordmedia zu richten. Im Übrigen siehe Antworten zu den Fragen 5 und 6.

Dr. Gabriele Wurzel
Chefin der Staatskanzlei

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. März 2010 um 13:20 Uhr