Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2006 10 Jahre Bürgerrundfunk in Niedersachsen
10 Jahre Bürgerrundfunk in Niedersachsen PDF Drucken E-Mail
lbm

1993 beschloss der niedersächsische Landtag das Landesrundfunkgesetz zu ändern und Bürgerrundfunk zuzulassen. Die ersten niedersächsischen Offenen Kanäle (OK) und nichtkommerziellen Lokalradios (NKL) gingen 1996 auf Sendung. Im Rahmen der Modellphase wurden insgesamt 14 NKL und OK zugelassen. Der von einigen befürchtete Aufruf zur Revolution per Radio fand nicht statt und selbst das gemeinsame EXPO-Projekt der Bürgermedien ‚xpovision’ begründete keine Weltausstellungs-Boykottbewegung, sondern setzte sich inhaltlich und journalistisch intensiver und unabhängiger mit dem Großprojekt auseinander, als es manch privater oder öffentlich-rechtlicher Sender konnte.
2001 wurde deshalb mit der Novellierung des Niedersächsischen Mediengesetzes (NMedienG) die Lizenzierung aller 14 Bürgersender durch die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) ermöglicht. Im November 2003 lizenzierte die NLM das Hildesheimer Radio Tonkuhle als den 15. Bürgersender. 2006, im 10. Jubiläumsjahr, stehen die niedersächsischen Bürgermedien vor der nächsten Lizenzphase, die Ihnen Sendesicherheit und Stabilität bis 2013 bringen soll und bislang sieht es so aus, als ob auch diese Lizenzierung ohne große politische Widerstände vonstatten gehen wird.
Das NMedienG differenziert 2001 nicht mehr in OK und NKL, sondern führte beide Varianten zum so genannten Bürgerrundfunk zusammen, in dem sowohl NKL- als auch OK-Elemente enthalten sind. Der wohl wichtigste und zukunftsweisende Unterschied war die Abkehr der Offenen Kanäle weg von der reinen Abspielstätte hin zu mehr Programmstruktur und eigenen Produktionsanteilen, während sich die Redaktionen der Nichtkommerziellen Lokalradios öffnen und offene Sendeplätze zulassen mussten. Der Landtag entsprach damit einer Forderung des Niedersächsischen Landesverbandes Bürgermedien e.V. (LBM) aus dem Jahre 1999.

Vermittlung von Medienkompetenz
Die niedersächsischen Bürgermedien haben sich in den 10 Jahren ihrer Existenz gut entwickelt und aus vielen Erfahrungen gelernt. Sie haben ihre Struktur und ihr Programm am gesetzlichen Auftrag und an den natürlichen Stärken der Bürgermedien ausgerichtet:
  • Den Zuschauern und Zuschauerinnen kommen sie mit klarer Programmstrukturierung, und aktueller lokaler Berichterstattung entgegen. Mit Politik, Kultur, Sport und anderen Lokal-Berichten leisten sie wichtige Beiträge zur Schaffung und zum Erhalt regionaler Kommunikationsräume. Sie bieten lokale Identität als Gegengewicht zu entwurzelter Globalisierung.
  • Durch Zugangsoffenheit und offensivem Nutzungsangebot bieten sie Einzelnen und Gruppen die Chance zur Meinungsäußerung als eigener Produzent. Damit fördern sie täglich gesellschaftliche Entscheidungsprozesse und Demokratie.
  • Durch Vermittlung von Medienkompetenz und die Möglichkeiten der aktiven eigenen Medienproduktion entwickeln sie bei allen Bürgermediennutzer/innen die Fähigkeit zum selbstbestimmten und reflektierten Umgang mit Medien insgesamt und schaffen damit die Möglichkeit zur aktiven Auseinandersetzung mit den wichtigsten Leitmedien in unserer Gesellschaft – Radio und Fernsehen.
Bürgermedien und Digitalisierung
Die niedersächsischen Bürgermedien freuen sich über die vielen guten Wünsche zum 10. Jubiläum, haben auch eigene Wünsche zur Sicherung ihrer Zukunft:
Da steht der Wunsch, dass sich die Welt der elektronischen Medien nicht verändern möge ohne die Bürgermedien angemessen zu berücksichtigen. Bei den Digitalisierungsdiskussionen sind Bürgermedien noch viel zu wenig Thema. Sie dürfen nicht marginalisiert werden, sondern sollen an der Medienzukunft partizipieren. Es würde sich lohnen, Bildungskooperationen mit Bürgermedien stärker auszubauen, z.B. Lehrerstellen in Bürgermedien auszulagern, die hier eine Brücke zwischen Fernsehen und Schulen schlagen. Es würde sich lohnen, Kooperationen als festen Posten in die Öffentlichkeitsarbeit von Städten und Regionen einzubauen und es würde sich z.B. lohnen, öffentlichkeits- oder medienorientierte Bildungsangebote der Erwachsenenbildung stärker am Bürgerfernsehen anzubinden.
Und da steht der dringende Bedarf nach großzügigerer Finanzausstattung und kreativer Unterstützung, damit die o. g. Wünsche und Ansprüche auch umgesetzt werden können. Dieser Wunsch geht nicht nur an die NLM, sondern z.B. auch an die politischen regionale Akteure, die das Medium wichtig finden und Nutzen daraus ziehen.
Bürgermedien stärken Demokratie und den Dialog zwischen lokaler Politik, Wirtschaft, Kultur und Bildung – es gibt noch viele winwin- Situationen zu kreieren und auszuschöpfen. Dazu müssen alle aufeinander zugehen, die unsere Gesellschaft weiterentwickeln wollen – sie brauchen engagierte Medien. Nicht von oben, nicht zugunsten kleiner Gruppen, sondern interaktiv und multimedial zugunsten der Bürger/Innen.

Georg May (Landesverband Bürgermedien / LBM)

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. März 2010 um 12:56 Uhr