Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2006 Ein Filmkunstkino für Braunschweig!
Ein Filmkunstkino für Braunschweig! PDF Drucken E-Mail
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Ende Juni 2006 schloss das Universum Kinocenter in Braunschweig seine Türen. Keine große Nachricht: es reichte nur zu einer kurzen Notiz im Branchenblatt filmecho/ filmwoche.
Was bedeutet diese Kinoschließung für eine Stadt wie Braunschweig? Dieser Beitrag skizziert, wie es dazu kam, und stellt die Initiative des Internationalen filmfestes Braunschweig vor, einen Ort der Filmkultur wieder zu beleben.

Eine kurze Geschichte des Braunschweiger Kinosterbens
Vor zwanzig Jahren gab es in Braunschweig, einer Stadt mit 240.000 Einwohnern, noch zahlreiche traditionelle Kinos: insgesamt 17 Leinwände mit einem ›Programmangebot, von dem man in vielen größeren Städten, trotz kommunaler Kinos, oftmals nur träumen konnte‹, wie in dem 1997 erschienenen Buch ›Braunschweigs Kinos 1896 bis heute‹ zu lesen war.
Aufschwung wie Niedergang der Braunschweiger Kinokultur in diesen Jahren sind eng mit dem Namen Hans-Joachim Flebbe verbunden. Noch vor dem ab 1991 einsetzenden Multiplex-Boom expandierte sein Unternehmen, die spätere Cinemaxx GmbH, im südlichen Niedersachsen, später dann in der ganzen Republik. Leinwand für Leinwand übernahm Flebbe in Braunschweig alle traditionellen Filmtheater und bespielte sie zunächst mit einer vielfältigen Mischung aus Mainstream und Filmkunst. Das Kinomonopol in der Hand der Cinemaxx GmbH führte jedoch bald zu den vertrauten Entwicklungen: ein Kino nach dem anderen wurde geschlossen. Das Braunschweiger Kinosterben begann 1993 mit dem Ende des SCHLOSSTHEATERS. 1995 folgte ihm das Filmkunstkino SCALA, das bis dahin ein ausgesprochener Ort für Filmkunst gewesen war, danach das BROADWAY.
Im August 2000 sollte endlich auch Braunschweig sein Multiplex-Kino bekommen. Bei der Eröffnung des modernen und komfortablen CINEMAXX mit seinen acht Sälen prophezeite das lokale Veranstaltungsmagazin Subway unter dem verheißungsvollen Titel ›Hingucken und staunen über die schöne neue Kinowelt‹: ›Ungeahnte Möglichkeiten stehen Braunschweig bevor, denn mehr Filme werden in der Welfenstadt zu sehen sein‹.
Das Gegenteil war der Fall. Kurz darauf fiel der letzte Vorhang in zwei weiteren Häusern: im GLORIA und im HANSA. Es folgten das CAPITOL und 2003 schließlich das traditionsreiche Filmkunsthaus LUPE. Den vorläufigen Schlusspunkt setzte die oben bereits erwähnte Aufgabe des UNIVERSUM Kinocenters mit weiteren drei Sälen in diesem Jahr.
Damit verlor die Stadt das achte (!) Kino seit 1993 und das Internationale filmfest Braunschweig einen wichtigen Spielort. 2006 verfügt Braunschweig nur noch über 9 kommerziell bewirtschaftete Leinwände. Übrig blieben das CINEMAXX und das renovierungsbedürftige Einzelhaus CITY, dessen Ende für 2007 ebenfalls vorgezeichnet ist.
Unter den deutschen Großstädten mit mehr als 200.000 Einwohnern verfügt lediglich Duisburg über noch weniger Leinwände. Ein Kommunales Kino könnte das Programmangebot sinnvoll ergänzen, existiert in Braunschweig allerdings nur in rudimentärer Form. Lediglich alle zwei Wochen präsentiert ›filmfest in der Brücke‹ Filme wie Benjamin Heisenbergs ›Schläfer‹, Carlos Reygadas’ ›Battle in Heaven‹ oder Bohdan Slámas ›Die Jahreszeit des Glücks‹.
Wer in Braunschweig ins Kino gehen möchte, hat nurmehr die Wahl zwischen ›Fluch der Karibik 2‹, ›Open Water 2‹ und ›Garfield 2‹. Das Filmangebot - so dünn wie nie zuvor - wird dominiert von der immer gleichen, dürftigen und einfältigen Mainstreamkost, die das Kino überall in eine tiefe Krise gestürzt hat. Für viele deutsche Filmverleiher ist Braunschweig nur noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Wen wundern da die dramatischen Besucher- und Umsatzrückgänge des vergangenen Jahres? Kurz bevor in allen acht Sälen des Braunschweiger CINEMAXX der ›Da Vinci Code‹ zu sehen war, forderte Cinemaxx-Vorstand Hans-Joachim Flebbe allen Ernstes im ›Spiegel‹: ›Wir müssen dem Kino die Seele zurückgeben‹.

Die Chance für ein Programmkino in Braunschweig
braunschweig02Lässt sich die Krise als Chance begreifen? Im 20. Jahr seines Bestehens bietet sich jedenfalls dem Verein filmfest Braunschweig die Gelegenheit, ein neues Kapitel der Braunschweiger Kinogeschichte aufzuschlagen und mit der Übernahme des UNIVERSUMS ein eigenes Programmkino zu betreiben.
Die Vorteile liegen auf der Hand. In einer ausgesprochen günstigen Konkurrenzsituation erhielte der Verein die Möglichkeit, ein ganzjähriges, anspruchsvolles Filmprogramm anzubieten - als Ausweitung, Fortsetzung und Ergänzung des Festivals.
Der Verein könnte umfangreicher und intensiver als je zuvor mit anderen Braunschweiger Kulturträgern kooperieren, und nicht zuletzt eigene Kinosäle während des Festivals bespielen. Der Umbau des ehemaligen dritten Saals des UNIVERSUMS zum Kinocafé könnte überdies einen festen Kommunikationsort über Filmkunst und Kino entstehen lassen.
Natürlich ist jede Kinogründung mit einem unternehmerischen Risiko verbunden. Zwar verzeichnen die profilierten Programm- und Kommunalen Kinos als Ergebnis langjähriger Bemühungen um ihr Publikum weniger starke Besucherverluste als die Multiplexe. Neugründungen wie das Bielefelder LICHTWERK machen Mut. Dennoch kämpfen viele Filmkunstkinos ums wirtschaftliche Überleben. Wir haben daher mehrere Voraussetzungen für einen erfolgreichen Betrieb definiert:
  • Eine betriebswirtschaftlich professionelle Geschäftsleitung und ein professionell organisierter Betrieb müssen sichergestellt sein. Das wirtschaftliche Risiko ist zu minimieren. Daher bietet sich für den Kinobetrieb die Gründung einer GmbH an.
  • Das Kino soll sich wirtschaftlich selbst tragen und ohne laufende städtische Subventionen auskommen. Daher muss die Wirtschaftlichkeit sorgfältig geprüft werden.
  • Die technische und räumliche Ausstattung des Kinos muss publikumsattraktiv sein und im Vergleich mit kommerziellen Kinos mithalten können. Dies macht hohe finanzielle Investitionen in den Umbau und die Ausstattung des Kinos erforderlich.
Bis zur Realisierung der Idee sind noch viele Steine aus dem Weg zu räumen. Ein Scheitern unserer Pläne ist nicht ausgeschlossen. Doch als Film- und Kinoverrückte haben wir uns auf den Weg gemacht: Die Verhandlungen mit den Eigentümern laufen, die Pläne und Kostenberechnungen eines Architekten für den Umbau liegen vor, wir lassen die Wirtschaftlichkeit des Kinobetriebs von externen Gutachtern berechnen und führen Gespräche über die Finanzierung der (hohen) Investitionskosten.
Vielleicht findet sich die Notiz über die Wiedereröffnung des UNIVERSUMS in einer filmecho/filmwoche-Ausgabe des nächsten Jahres oder im RUNDBRIEF. Das wäre gleichzeitig eine gute Nachricht für die Filmkultur in Braunschweig.

Volker Kufahl

Zuletzt aktualisiert am Dienstag, den 23. März 2010 um 12:33 Uhr