Home Rundbrief alte Ausgaben Jahrgang 2005 Landtag fordert Stärkung unabhängiger Produzenten.
Landtag fordert Stärkung unabhängiger Produzenten. PDF Drucken E-Mail
NDR soll bei nordmedia auch experimentelle Projekte fördern
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Filmförderdebatte im Landtag. Fotos: Karl Maier

Am 26. Januar 2005 hat der Niedersächsische Landtag einstimmig einen Antrag verabschiedet, in dem die Landesregierung gebeten wird:
  • bei der nordmedia darauf hinzuwirken, dass die Verfahren bei Entscheidungen und Evaluationen des Vergabeausschusses der nordmedia transparent gemacht werden und die jeweiligen Ergebnisse dem Landtag zur Kenntnis gegeben werden,
  • bei der nordmedia ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass auch zukünftig eine den Sparzwängen angemessene Förderung von Filmfestivals in Niedersachsen erfolgt, wobei darauf zu achten ist, dass einerseits die Qualität und andererseits eine ausgewogene regionale Verteilung im Land berücksichtigt werden,
  • darauf hinzuwirken, dass eine Förderung von Serien-, TV- oder Filmproduktionen möglichst nur als Anschubfinanzierung erfolgt; zumindest sollten niedersächsische Produzenten einbezogen werden,
  • gegenüber dem NDR darauf hinzuwirken, dass bei der Förderung durch die nordmedia eine Mischung aus ›Experimentellem‹ und ›zuschauerattraktiven Projekten‹ erzielt wird,
  • zu prüfen, ob es angeraten ist, durch eine Änderung des Niedersächsischen Mediengesetzes künftig festzulegen, dass aus dem Vorab für die Filmförderung insbesondere unabhängige Produktionen gefördert werden.‹
Mit diesem Antrag ›setzen wir alle gemeinsam ein Signal, dem sich die nordmedia und der NDR eigentlich nicht verschließen können. Der Landtag beschließt einstimmig, dass dringender Handlungsbedarf besteht‹ so Katrin Trost von der CDU.
In der Debatte waren sich alle Rednerinnen und Redner einig, dass die nordmedia zwar große Erfolge durch Preise für geförderte Produktionen vorweisen könne, dennoch sei noch einiges für Niedersachsen zu verbessern.
Trotz der Einstimmigkeit bei der Abstimmung über den Antrag gab es bei den Parteien unterschiedliche Sichtweisen und Vorschläge. Einig war man sich bei der Ablehnung der Förderung von Produktionen wie der ›FettWegShow‹. Auch die Berufung unabhängiger Experten in das Vergabegremium der nordmedia soll geprüft werden.
Nachfolgend einige Auszüge aus den Redebeiträgen. (Die Zwischentitel wurden von der Redaktion eingefügt.)

Von 3 Mio. auf 1,7 Mio. Euro
landtag02Alice Graschtat von der SPD bilanzierte die starken Kürzungen bei der nordmedia: ›Die Landesregierung hat im September entschieden, den Zuschuss an die nordmedia im Jahre 2005 um 980.000 Euro - das sind 36 % gegenüber dem Vorjahr - zu kürzen.
Nach den Kürzungen im Vorjahr hat damit innerhalb von zwei Jahren fast eine Halbierung von 3 Millionen Euro auf 1,7 Millionen Euro stattgefunden. Außerdem zog sich der NDR aus der niedersächsischen Festivalförderung zurück, um sich in Niedersachsen, wie es hieß, auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren, während in Schleswig-Holstein z. B. die Nordischen Filmtage in Lübeck weiter gefördert werden.‹

›Kulturelle Leuchttürme‹ bedroht
›Dies wirkte sich auch massiv auf die Entscheidungen des Vergabeausschusses vom 2. Dezember 2004 aus, welche Festivals in 2005 Landesmittel erhalten. Das Ergebnis: Die Zuschüsse für das Unabhängige FilmFest Osnabrück, das Historische Filmfestival in Göttingen und das Medienhaus Hannover wurden komplett gestrichen, andere zum Teil massiv gekürzt, sodass fraglich ist, wie es dort weitergehen soll. Darunter befindet sich das European Media Art Festival in Osnabrück - vom Herrn Ministerpräsidenten in einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Ende Dezember noch als ›kultureller Leuchtturm im Lande‹ bezeichnet. Wenn das Land mit seinen Leuchttürmen so umgeht, dann kann einem nur Angst und Bange werden.

Unberücksichtigt bleibt bei diesen Kürzungen offenbar auch, dass jeder Euro nordmedia- Förderung durch Drittmittel - z. B. der EU - und durch Sponsorengelder mindestens verdoppelt wird und damit neben der kulturellen Wertschöpfung in der Region Arbeitsplätze geschaffen werden. Die im Rundbrief des Film- und Medienbüros geäußerte Zuversicht der Staatskanzlei - das Ganze noch im Dezember -, die Festivals könnten trotz der Kürzungen unter Bewahrung der bisherigen Qualität durchgeführt werden, teilen wir ausdrücklich nicht. Es wird zwangsläufig, und zwar trotz aller Bemühungen, zu Qualitätseinbußen kommen müssen.‹

Eigener Fördertopf für unabhängige Projekte
›Die SPD-Fraktion fordert, den Aufbau einer unabhängigen Produktionsstruktur in Niedersachsen zu unterstützen. Dazu gehört, dass Mittel für unabhängige Projekte in einem eigenen Fördertopf zur Verfügung gestellt werden. In Schleswig-Holstein und Bremen ist das längst eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus sollten unabhängige Experten mit ihrem Sachverstand an den Vergabeentscheidungen beteiligt werden.
An die Regierungsfraktionen appelliere ich, dass wir gemeinsam dafür sorgen, dem Film- und Medienbüro wieder eine finanzielle Grundlage zu schaffen, die es ihm ermöglicht, seine wertvolle und für den Erhalt der Strukturen unverzichtbare Beratungs- und Servicearbeit professionell fortzusetzen.
Wir tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, dass die kulturelle Filmförderung in Niedersachsen nicht komplett unter die Räder der so genannten Massenattraktivität gerät. Das würde passieren, wenn nicht gegengesteuert wird. Wenn man hört, dass die nordmedia eine NDR-Sendung wie Thürnaus ›Fett-Weg-Show‹ mit 852.000 Euro fördert, dann ist diese Sorge sicherlich begründet.

Fragwürdige Subventionsmentalität
landtag03Ralf Briese von den Grünen kritisierte die versteckte Subventionierung des NDR durch die nordmedia. ›Daran können Sie sehen, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht heilig sprechen, sondern unsere Kritik klar und deutlich äußern. Wir sagen, dass sich da etwas ändern muss, ohne dass wir diesen Sender gleich politisch instrumentalisieren oder parteipolitisch unterwandern wollen.
Beim NDR selber, das will ich klar und deutlich sagen, hat sich einiges an sehr fragwürdiger Subventionsmentalität durch die nordmedia entwickelt. Es kann einfach nicht sein, dass Filmförderung, die in erster Linie dafür da ist, kleine, freie Filmproduktionen zu stärken, quasi umfunktioniert wird, um das normale NDR-Programm zu stärken. Das ist in unseren Augen keine Filmförderung, das ist Subventionierung des normalen Programms. Dafür ist die Filmförderung nicht gedacht. Das ist unangebracht.
Filmförderung ist in unseren Augen ein kulturelles Wagnis. Dazu gehört der Mut, auch einmal Unkonventionelles zuzulassen.
In unseren Augen kann die nordmedia zukünftig keine weiteren Kürzungen verkraften. Die Filmfestivallandschaft in Niedersachsen hat bereits sehr schwere Schäden erlitten. Über die gegenwärtige Medienstandortpolitik der Landesregierung hat der Ministerpräsident heute hehre Worte verloren. Er hat gesagt, wie man den Medienstandort Niedersachsen stärken will und was man alles machen will. Bis jetzt gibt es aber faktisch nur harsche Kürzungen.

Mehr kulturelles Risiko
›Das Vergabegremium der nordmedia könnte in unseren Augen etwas mehr kritischen Geist gebrauchen. Wir hoffen, dass die Zusammensetzung des Vergabegremiums in Zukunft verändert wird.
Wir hoffen also, dass mit der gemeinsamen Verabschiedung dieses Antrages die niedersächsische Filmförderung in Zukunft eine etwas andere Richtung bekommt, weg von der Massenförderung, hin zu etwas mehr kulturellem Risiko. Auch die Interessen der niedersächsischen Filmschaffenden müssen stärker berücksichtigt werden. Sehr viel von der niedersächsischen Filmförderung geht nämlich in andere Bundesländer. Das kann nicht in niedersächsischem Interesse liegen.

Filmkunst und -kultur sind nicht nur wichtige weiche Standortfaktoren, um eine Region, ein Bundesland prominent zu machen. Filmkunst regt auch zur kritischen Reflexion an. In Zeiten von loderndem Rechtsradikalismus braucht unsere Gesellschaft eine gute Dosis Kultur, um gegen menschenverachtendes Gedankengut immunisiert zu werden..

Stärkung des Medienstandorts
landtag04Ulrike Kuhlo von der FDP ging insbesondere auf die Förderung von Produktionen ein, ›die unmittelbar nichts mit der Entwicklung des Medienstandortes Niedersachsen zu tun haben oder die nicht besonders anspruchsvoll bzw. nicht imagefördernd sind. Ich meine Produktionen, die viel eher aus den Etats der betroffenen Rundfunkanstalten, in diesem Falle des NDR, bezahlt werden sollten. Hier ist in Zukunft verstärkt darauf zu achten, dass vor allem solche Produktionen, die sich qualitativ deutlich vom alltäglichen Programmangebot des Senders abheben, in die Förderung kommen, also Produktionen, die von kleineren und mittleren Produktionsfirmen in Niedersachsen erstellt werden und tatsächlich den Medienstandort Niedersachsen stärken. Diese Stärkung des Medienstandorts Niedersachsen ist die Kernaufgabe der nordmedia. Darauf muss sie sich konzentrieren, und dafür wurde sie gegründet.‹

Mehr unabhängige Produktionen fördern

landtag05Auch Katrin Trost von der CDU betonte, dass die Erwartungen in die nordmedia leider bis heute noch nicht vollständig erfüllt seien. ›Dies betrifft insbesondere die Förderung der Film- und Fernsehproduktionen unabhängiger Produzenten. Deshalb bitten wir in unserem Änderungsantrag auch um eine Prüfung, ob durch eine Änderung des niedersächsischen Mediengesetzes künftig festgelegt werden sollte, dass aus dem Vorab für die Filmförderung in Zukunft mehr unabhängige Produktionen gefördert werden sollen. Dies ist immens wichtig für den Medienstandort, und dies ist auch ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor.
Die Förderung von Produktionen von Fernsehanstalten, die sonst üblicherweise aus dem eigenen Etat finanziert werden, sehen auch wir als sehr problematisch an.‹

Beispiel ›Fett-weg-Show‹:
›Diese Staffel wird mit 852.000 Euro aus Mitteln der nordmedia gefördert - bei einem Gesamtetat der nordmedia von 11,1 Millionen Euro. Die Gesamtkosten für diese Staffel belaufen sich auf 1,5 Millionen Euro. Natürlich werden auch Sponsorengelder eingeworben, unter anderem von einer Krankenkasse und von einem Mineralwasserhersteller.
Dass der NDR gute Zuschauerquoten braucht, ist in Ordnung. Dass Herr Thürnau diese Sendung moderiert, ist auch in Ordnung. Auch dass der NDR es sich nicht leisten kann, am Publikum vorbei zu produzieren, ist in Ordnung. Die Frage ist nur: Muss eine solche Produktion mit unseren nordmedia-Mitteln gefördert werden? Eine private Fernsehgesellschaft, bei der Werbung zugelassen ist, hätte überhaupt keine Schwierigkeiten, eine derartige Sendung zu finanzieren, ohne in den Topf für die kulturelle Filmförderung greifen zu müssen.‹

Beispiel ›Tatort‹
›Auch bei der finanziellen Unterstützung zum Beispiel der ›Tatort‹-Produktionen sehe ich noch Handlungsbedarf. Ich zitiere aus dem Interview im DeutschlandRadio Berlin vom 24. November 2004, in dem Herr Wulff Rede und Antwort gestanden hat:
›Und wenn im NDR-Staatsvertrag enthalten ist, dass Sendungen des NDR auch im gesamten Sendegebiet produziert werden, dann wird das Argument, was wir jetzt immer hören, dass die Produktion in Niedersachsen teurer sei als in Hamburg und deswegen Niedersachsen Geld dazu geben muss, damit ein ‚Tatort' auch in Niedersachsen produziert wird, unerträglich. Es muss normal sein, dass der Norddeutsche Rundfunk eine Vierländeranstalt ist und das Programm in den vier Ländern auch produziert wird.‹
›Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir würden es begrüßen, wenn sich der NDR dazu entschließen würde, bei der Förderung durch die nordmedia eine gesunde Mischung aus experimentellen und zuschauerattraktiven Projekten zu erreichen. Nicht zuletzt die experimentellen Projekte eröffnen in der Kultur oft neue Wege.

Landtagsforderungen werden umgesetzt
Abschließend ergriff Ministerpräsident Christian Wulff das Wort:
›Es geht darum, welches Verhältnis der NDR in Hamburg zu der Filmförderung in der Fläche des Vier-Länder-Verbreitungsgebietes hat. Was zu den Regierungszeiten der Sozialdemokraten, ›Lieb und struppig‹ war, heißt heute ›Fett weg‹. Wir haben so gut wie keine Möglichkeit, den Wünschen des NDR bei der Vergabe seiner Mittel aus seinen Gebühreneinnahmen zu widersprechen. Das ist die Wahrheit und die Realität innerhalb des Vergabeausschusses der nordmedia.
Die Filmförderung wird ihren erfolgreichen Weg trotz der Kürzungen weitergehen. Das sollte auch nicht schlecht geredet werden. Es gibt keine erfolgreichere Filmförderung als die der nordmedia. Ich erinnere nur an Produktionen wie ›Das Wunder von Lengede‹, ›Gegen die Wand‹, ›Im Schatten der Macht‹ und andere.‹
Wulff betonte, die Landtagsforderungen umzusetzen und bei der nordmedia Veränderungen vorzunehmen. ›Dazu brauchen wir aber auch die Rückendeckung des Parlaments. Die bekommen wir hier - vielleicht bekommen wir sie dann auch für den Staatsvertrag -, und damit können wir niedersächsische Interessen so vertreten, dass die Förderung vor allem Niedersachsen zugute kommt.‹

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Bild 1: Alice Graschtat (SPD)
Bild 2: Ralf Briese (Die Grünen)
Bild 3: Ulrike Kuhlo (FDP) Foto: Manfred Zimmermann
Bild 4: Katrin Trost (CDU)


Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 01. April 2010 um 12:52 Uhr