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Neulich im Kinomuseum ... PDF Drucken E-Mail
kinomuseum ...wurde anschaulich deutlich gemacht, welch gewagtes da potenziell gefährliches Unterfangen eine Filmprojektion in den Anfangsdekaden des Kinos war. Ratzfatz war der Filmstreifen aus Nitrocellulose in Flammen aufgegangen - und nahezu spurlos verschwunden war eine halbe Sekunde Film. Kein Wunder, dass damals hin und wieder ein ›Lichtspieltheater‹ in Brand geriet, weshalb die öffentliche Aufführung von Filmen dieser Art, d. h. aus diesem Material, in den Fünfziger Jahren verboten wurde.
Es war also schon was besonderes, an diesem Abend auf Einladung des Vereins der Freunde und Förderer des Museums für Kinematographie e.V. mal einen originalen Film auf dem ursprünglichen Filmmaterial über die kleine Leinwand des Kinomuseums flimmern zu sehen. Und gut gegangen ist es auch - wenn auch sicherheitshalber zwei Filmvorführer in der Projektionskabine die Filmrollen beaufsichtigten während sie durch den einen der beiden alten 35mm-Ernemann-Projektoren ratterten.
Etwas besonderes war der Film auch noch aus anderen Gründen. Zarah Leander, die hier mit ›Eine Frau wird erst schön durch die Liebe‹ die prüden Bürger einer wilhelminischen Residenzstadt in Fassungslosigkeit versetzt, Heinrich George und Paul Hörbiger waren in einer mit holländischen Untertiteln versehenen Fassung des Carl- Froelich-Films ›Heimat‹ von 1938 zu sehen. Die Kopie stammte wohl - den Mutmaßungen des Museums-Chefs zu Folge - aus den 40er Jahren und war bis auf ein paar kleine Mängel und Macken u. a. aufgrund eines Wasserschadens noch recht gut erhalten.

Museum zeigt Kinotechnik
Seit 1997 existiert das kleine Museum unter der Leitung seines Direktors Peter Schade-Didschies. Unvermutet ländlich gelegen, findet man das ehemalige Gebäude einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, in der es untergebracht ist, am Ende der Raiffeisenstraße in Vollbüttel, einem kleinen Ort in der Nähe von Gifhorn. Im Unterschied zu anderen Filmmuseen liegt der Schwerpunkt des Vollbütteler Kinomuseums auf der Technik, welche die ›lebenden Bilder‹ in Bewegung bringt bzw. vor allem gebracht hat. Das älteste Exponat ist ein 35mm-Projektor der Dresdener Firma Ernemann von 1914. In den Jahren 1909-33 wurden von dem Gerät, das unter dem Titel ›Imperator‹ zu einem der meistverkauften Projektoren Europas gehörte, 15.000 Exemplare produziert. Ebenfalls sehr erfolgreich war der Ernemann VII b, der von 1936-44 gebaut wurde. Im Jahre 1937 war dieser 35mm-Projektor, der zu den ersten Bild-Ton-Maschinen gehörte und der eine Auflage von 5000 Stück erreichte, in 40 Länder exportiert.
Aufgefallen ist mir auch noch ein vergleichsweise kleiner Kurbelkasten namens Ernon IV. Es handelt sich dabei um das Projektorlaufwerk einer abgespeckten Version der Ernemann-Hochleistungsprojektoren mit einer Kurbel zur linken Seite. Ab 1925 wurden Filmprojektoren sowohl in Rechts- als auch in Linksausführung hergestellt. Auf diese Weise war es möglich, dass ein Kino zwei Projektoren von nur einem mit beiden Armen und zu beiden Seiten kurbelnden Filmvorführer bedienen ließ.
Die Kurbeln hatten allerdings lediglich Hilfs- und Kontrollfunktion, da die Projektoren zu dieser Zeit bereits mit Elektromotoren betrieben wurden. Außerdem lief jeweils nur ein Projektor, zum Ende eines Aktes wurde dann jedoch auf den anderen Projektor überblendet. Diese Überblendung war deshalb erforderlich, weil nur eine maximale Länge von 600 Metern (= 22 min) Film auf einem Projektor zulässig waren. Für eine pausenlose Vorführung musste also regelmäßig von einem Projektor auf den anderen umgeschaltet werden. Alte Filme haben noch die gängige Markierung als Zeichen für die Überblendung in Form eines hellen Flecks durch ein eingestanztes Loch im Filmmaterial am rechten oberen Bildrand.

Filmabende
Alle ausgestellten Projektoren - das Museum beherbergt zusätzlich auch noch einige alte Filmkameras, Scheinwerfer und Filmplakate sowie den vor einigen Jahren erworbenen Nachlass der Schauspielerin Carla Nelsen - sind potenziell funktionsfähig. Damit sie auch ab und an zum Einsatz gebracht werden können, veranstaltet der dem Kinomuseum zugehörige Verein für seine Freunde und Förderer alljährlich einige Filmabende, die allerdings mit geladenen Gästen in geschlossenem Rahmen stattfinden.
Dann treffen sich Peter, Katja, Lothar und die anderen im dem Museum angegliederten im Fünfziger-Jahre-Stil eingerichteten Café Kintopp zum Schnabulieren und Fabulieren bis der Projektor angeschmissen wird und sich alle Anwesenden nach nebenan in den kleinen Filmsaal-Bereich begeben, um in den paar Reihen Kinosessel Platz zu nehmen.
Meistens sind es Filme aus dem eigenen Archiv, die dann nach oftmals langem Warten und in staubige Vergessenheit geratener Existenz endlich einmal wieder vom Licht der Xenonlampe durchleuchtet werden und so ihre bewegten Bilder den bezauberten Blicken eines kleinen dafür aber umso begeisterten Publikums enthüllen.

Sommerfest mit Freiluftkino
Einmal im Jahr findet auch eine öffentliche Veranstaltung auf dem Gelände der ehemaligen Raiffeisen-Genossenschaft statt. Am letzten Wochenende der großen Schulferien feiert der Verein des Kinomuseums ein Sommerfest mit Freiluftkino am Abend. Der Film bestimmt dabei stets auch das Thema der kulinarischen und sonstigen vergnüglichen Angebote, und auch die Besucher werden in diesen Rahmen durch Verkleidung und Schminke miteinbezogen. In den vergangenen Jahren ging es dabei von Pasta zu ›Don Camillo und Peppone‹ über Goldwaschen und Showdown zum Western bis hin zu Raketenstarts und durch die Luft schwirrende Ufos zu ›Star Trek‹. Es wird gemunkelt, dass sich dieses Jahr alles um den Zirkus drehen soll.

Liebe zum Detail
Die meisten seiner kinematographischen Kostbarkeiten und Liebhabereien hat das Kinomuseum aus den Auflösungen ehemaliger Filmtheater übernommen. Im Nachhinein ist man sich einig, dass man diese abenteuerlichen und gewissermaßen archäologischen Durchforstungen und Aufstöberungen vergangener Kinogeschichte hätte dokumentieren sollen.
Ja, sie haben viel zu erzählen, die Mitglieder des Museumsvereins, denn sie haben eine Menge investiert in dieses Projekt. An die 10.000 freiwillige d. h. unentgeltliche Arbeitsstunden bildeten das Fundament, auf dem dieses so liebevoll wie fachkundig angelegte Museum aufgebaut werden konnte.
Diese Liebe drückt sich auch in vermeintlich nebensächlichen Details auf humorvolle Weise aus wie ich beim Aufsuchen der Toiletten im Keller des Gebäudes feststellte. Neben Fotos, auf denen die Entstehungsgeschichte des Kinomuseums festgehalten wurde, zieren unzählige kleine Kino- Comics die weißen Fliesen der Örtlichkeit. Dazu passend wurde anscheinend das Geschirr ausgesucht, mit welchem im Café Kintopp die Gäste des Kinomuseums bewirtet werden.
Und wenn sie Glück haben, kommen sie nebenbei noch in den Genuss und hören die alt-ehrwürdige Standuhr zur vollen Stunde schlagen die diesen Gong vernehmen lässt, der zumindest bei mir Schauer nostalgischer Anwandlungen ausgelöst hat, die in meinem Fall natürlich nur mehr Ahnungen denn Erinnerungen sind.
Schön, dass es so einen Ort gibt, der die Erinnerungen an das Kino, wie es mal war, bewahrt und pflegt und immer mal wieder aufleben läßt.

Eva Schwarz

Kinomuseum
Raiffeisenstraße 11, 38551 Vollbüttel
Telefon 05373-1238, www.kinomuseum.de
Öffnungszeiten So 14-18 Uhr (außer an Feiertagen, Winterpause Dez. bis Febr.).

Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 01. April 2010 um 12:05 Uhr