Jetzt geht’s doch! Drucken
Ausstellung und Film von Eva Schröder und Thomas Bartels
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Wolfgang in der Wiesche (Musik, sound design), Eva Schröder (Idee, Regie u.v.m.) und Thomas Bartels (Kamera, Produktion) bei FilmFestSpezial / Filmfest Braunschweig | Foto: K. Hehmann

Im kleinen, aber illustren Kinomuseum in Vollbüttel sind zur Zeit die Materialien ausgestellt, die beim Dreh des Animationsfilms Jetzt geht’s doch! von Eva Schröder und Thomas Bartels Verwendung fanden. Neben einigen Schaukästen mit Fotos vom Film, einem Making Off, das via Monitor zu besichtigen ist, einer Kamera auf Schienen (Kamerafahrten in Einzelbildschaltung sind ein häufig wiederkehrendes Element des Films) sind es vor allem die von Eva Schröder entworfenen Objekte, die das Interesse des Betrachters in Anspruch nehmen.
So ergibt sich ein anschauliches Bild von den Dreharbeiten, die sich über zweieinhalb Jahre hinzogen (bei 27.360 Einzelbildern im fertigen Film und einem Drehverhältnis von eins zu vier), auch hat der Besucher Gelegenheit, den 19minütigen Film in der schnuckeligen Kinoecke des Museums als 16mm-Kopie oder auf DVD, gebeamt, auf Leinwand zu besichtigen.

Die Erzählung der Schwester
Für Eva Schröder, die aus Braunschweig stammt und an der dortigen HBK Kunst studierte, ist Jetzt geht’s doch! der erste Film. Vorrangig hatte sie sich bisher mit Buchillustrationen und plastischen Arbeiten beschäftigt. Beides, sowohl das Zeichnerische wie das Plastische, findet sich vereint in den Gegenständen und Figuren, die sie für den Film entwarf. Am Anfang stand eine Kurzgeschichte ihrer Schwester Ulrike Schröder, die sie illustrierte.
Daneben oder in Weiterentwicklung entstanden so genannte Rollkammern, eigenwillige reliefartige Plastiken in Kästen, die auf langbeinigen, räderbesetzten Gestellen stehen. Es gab eine Ausstellung damit 2006 in Lehrte. Der Wunsch reifte, die Objekte zu animieren.
Hier nun kommt Thomas Bartels ins Spiel. Dieser, längst ein Routinier auf dem Gebiet des Animationsfilms, konnte sich für das Projekt begeistern. So entstand in den kommenden zwei Jahren, unterstützt von der nordmedia, allmählich der Film, nicht nach einem fertigen Drehbuch, sondern eher nach dem Prinzip des learning by doing. Die Rollkammerobjekte ließen sich höchstens teilweise verwenden, das meiste musste für den Film neu gestaltet werden, denn es sollte sich ja einfügen in die Bewegungsabläufe und das differenzierte Spiel von Licht und Schatten.
Es ist nicht wichtig, die zugrundeliegende Erzählung zu kennen. Vielleicht sogar eher schädlich, da man in diesem Fall zwangsläufig nach Analogien sucht, die sich zwar finden lassen, dem Film aber nur partiell gerecht werden. Denn dieser geht seinen eigenen Weg. Löst sich von der Vorlage, gibt sich lichter, ist auch offener für Interpretationen, für unterschiedliche Deutungen oder Empfindungen, denn verstehen kann man diesen Film seltsamerweise nicht, man kann ihn nur immer, vermutlich je nach der jeweiligen eigenen Gemütslage, anders sehen. Damit will ich sagen, dass er das zugrundeliegende Epische der Erzählung in etwas zeitlos Lyrisches transformiert.

Ein Ungewisses wie im Traum
Ich sah den Film zuerst, ohne die Erzählung zu kennen. Was mich dabei vor allem beeindruckte: das schon erwähnte Spiel von Licht und Schatten; die dezente Farbgebung, das fast monochrome, nachgerade Sandfarbene der Gegenstände und des Hintergrunds (ein Grau oder toniges Gelb, nur gelegentlich durch grellere Farbtupfer unterbrochen); die Musik von Wolfgang in der Wiesche, mit dem Thomas Bartels schon wiederholt zusammengearbeitet hat, ergänzt durch Musik von Erwin Stache, ein Sound-Design, das sparsam, aber kräftig akzentuiert, ohne sich in den Vordergrund zu drängen; das gelungene Nach- und Gegeneinander der verschiedenen Rhythmen einer sich beschleunigenden, dann wieder sichtlich zögernden Bewegung; die Originalität der Objekte, zumal der Figur, die eigentlich nur aus Kopf, langem Hals, Händen und Füßen besteht; das bedeutungsvolle Hervorheben von Details, zum Beispiel eines Lichtschalters an der Wand, ohne dass eine sinnvolle Bedeutung deutlich erkennbar würde: Trotzdem ist man überzeugt, dass solches Hervorheben stimmig ist, denn man befindet sich ja mitten in einem Traum, und bekanntlich ist im Traum alles möglich und von Gewicht – nur weiß man nicht, ist Jetzt geht’s doch! ein Alptraum oder eher ein wundersamer, in dem allerlei Faszinierendes, manchmal Bedrohliches, manchmal Burleskes, manchmal Groteskes, mitunter sogar Komisches geschieht.
Diesem Eindruck dienen auch die zahlreichen Wiederholungen, etwa die Überreichung eines Geschenkpäckchens, das Ausblasen von Kerzen (offenbar hat jemand Geburtstag), die Teller mit den Speisen, mit Messer und Gabel - Sequenzen, die nur inhaltlich, doch nie formal immer dieselben sind. Auch die fast expressionistisch anmutenden, spitz in die Tiefe zulaufenden Gänge mit ihren zahllosen Türen links und rechts (die Türen stehen offen, höchstens angelehnt, sind nicht klaustophob geschlossen, ein Ungewisses mag hinter ihnen lauern) oder die wechselnden Tapeten und das inzwischen zum Rollwagen gewordene Ich (nur der Kopf und eine Hand ragen noch hervor), das vor diesen Tapeten entlang rollt und dabei chamäleonartig jeweils das Tapetenmuster des Hintergrunds annimmt, unterstreichen den Eindruck des Traumhaften.
Mag sein, dass es primäre Absicht der Filmemacher war, eine Erzählung zu illustrieren. Das Ergebnis ist m. E. aber keine Interpretation, sondern eine eigenständige Arbeit - ein Film, der seine Intention nicht plump ausstellt, sondern sie hütet wie ein Geheimnis, das er offen legt, gleichzeitig aber auch bewahrt. Es obliegt dem Zuschauer, sich hineinzufühlen.
Die Ausstellung ›Animotion – Dinge in Bewegung bringen‹ ist noch bis 14.07.2009 im Kinomuseum Vollbüttel zu sehen oder virtuell unter www.kinomuseum.de.

Willi Karow
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, den 25. Februar 2010 um 09:22 Uhr