Studio Bendestorf - quo vadis? Drucken
Bendestorf, südlich von Hamburg, war bis in die 60-er Jahre ein wichtiger Filmproduktionsstandort. Jetzt sollen die alten Studios einer Wohnbebauung weichen. Über Vergangenheit und Zukunft sprach Barbara Derboven mit Walfried Malleskat, 1. Vorsitzender des Freundeskreises Filmmuseum Bendestorf e.V. und Sprecher des Filmmuseums.
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Zufahrt aufs Gelände, rechts Halle A1. Foto: Barbara Derboven

In dem Heideort Bendestorf entstand in der Nachkriegszeit eine blühende Filmindustrie mit eigener Produktionsstätte, die ist nun vom Abriss bedroht. Herr Malleskat, wie ist der Stand des Projektes ›Studio Bendestorf‹?

Wir in Bendestorf, eine 2.000 Seelengemeinde in der Nordheide, verfügen über eine einzigartige Filmstudioanlage, bekannt als ›Heide-Hollywood‹. Seit 1947 wurden in Bendestorf Filme gedreht; man kann davon ausgehen, dass das Studio Bendestorf und die damit verbundene JUNGE FILM-UNION als Wiege der deutschen Nachkriegsfilmkunst zu betrachten sind. Die JUNGE FILM-UNION hat in der schweren Zeit nach dem 2. Weltkrieg wertvolle Kulturarbeit geleistet, zumindest aus cineastischer Sicht. Hier sind in der Zeit der JFU zwischen 1947 und 1952 zwanzig abendfüllende Spielfilme entstanden, vom Trümmerfilm bis zum sog. Großen Revuefilm. Denken Sie nur an den legendären Film ›Die Sünderin‹ mit Hildegard Knef oder Marika Röck und Johannes Heesters in der Czardas-Fürstin, Zarah Leander in Ave Maria und so weiter!
Alle prominenten Namen der deutschen Filmbranche haben in dieser Zeit in Bendestorf gearbeitet. Neben den Schauspielern waren die führenden Regisseure, Kameraleute, Drehbuchautoren und ganz besonders Filmmusikkomponisten hier und haben gewaltige Spuren hinterlassen. Nach 1952 ist weiter, auch international, produziert worden. John Lennon, Anthony Perkins, Vanessa Redgrave, Mia Sorvino standen hier vor der Kamera. Ein eminent bedeutendes Kulturerbe ist entstanden. Es ist an der Zeit, es aufzubereiten und weiterzugeben.

Wie soll diese Weitergabe aussehen, haben Sie vor Ort die strukturellen und finanziellen Möglichkeiten, eine museale Filmstätte entstehen zu lassen?

Über den 2011 gegründeten Förderverein wollen wir kulturhistorische Architektur auf dem Studiogelände erhalten und dort auch das Filmmuseum eingliedern, das heute auf beengtem Raum in Bendestorf schon existiert. NOCH ist nämlich die gesamte Infrastruktur der Filmateliers Bendestorf auf 14.000 qm erhalten! Doch das wird sich in absehbarer Zeit ändern.

Was wird sich ändern und was sagt denn die politische Gemeinde zu Ihrem Vorhaben?

Die Gemeinde beschließt zur Zeit einen Bebauungsplan, der sich auf diese 14.000 qm bezieht. Dieser sieht vor, dass sämtliche Filmstudios und ein Großteil des technischen Gebäudekomplexes abgerissen werden sollen. Lediglich ein 350 qm großer Teil einer technischen Gebäudeeinheit soll auf einem ca. 1.100 qm großen Flurstück erhalten bleiben. Für diesen Erhalt und die Rettung der ersten Aufnahmehalle kämpft unser Verein. Wir beabsichtigen, zumindest das Gebäude zu kaufen und somit einen kleinen Teil des Studiokomplexes Bendestorf der Nachwelt und Filminteressierten aus der ganzen Welt im neuen musealen Kontext präsentieren zu können. Das ist eine gewaltige Herausforderung für den Verein, wie wird Ihnen das gelingen? Der Verein verfügt über finanzielle Mittel, die aber bei weitem nicht ausreichen, um das Projekt zu stemmen.

Haben Sie Sponsoren und hilft Ihnen die Gemeinde?

Dank unserer Sponsoren verfügen wir derzeit über eine 6-stellige Summe. Der Gemeinderat Bendestorf hat mehrheitlich beschlossen, sich hier nicht zu engagieren. Diesen kaum nachvollziehbaren Entschluss bedauern wir sehr. Das Projekt hat überregionale, ja sogar internationale Bedeutung, und wir hoffen, dass sich die überregionalen und nationalen politischen Gremien unseres Projektes annehmen und gemeinsam eine Finanzierung möglich machen. Wir sind im Gespräch mit der Filmförderung nordmedia, werden einen Antrag für eine Förderung nach den Maßgaben des EFRE-Fonds (Europ. Fonds für Regionale Entwicklung) stellen und natürlich erhoffen wir uns auch Unterstützung der infrage kommenden Institutionen auf Landes- und möglichst auch auf Bundesebene.

bendestrof_eischolz cine1Die Schauspielerin Eva Inge Scholz heute und früher auf den Filmfotos im Film Das Fräulein und der Vagabund, 1948, Regie Albert Benitz. Links neben ihr John Pauls-Harding. Copyright: Filmmuseum Bendestorf

Was wollen Sie in Bendestorf aufbauen?

Wir wollen die technische Gebäudeeinheit kaufen und eine Filmkulturstätte einrichten, die auf drei Säulen basiert: 1. Permanentausstellung Filmhistorie Bendestorf. 2. Ein Freiraum für wechselnde Sonder- Ausstellungen, nicht unbedingt mit nur cineastischem Inhalt aber mit Bezug zur Popularkultur. 3. Ein Forum für Veranstaltungen, die zum aktiven Mitmachen auffordern, genannt seien Workshops für Jugendgruppen, Schulen und cineastisch Interessierte, Kreativateliers im musischen Bereich, Postproduktion für jedermann.
Das Kernstück jedoch ist das Produzentenkino aus den 50er-Jahren, das noch vorhanden ist und in seiner Ästhetik diese Zeit widerspiegelt. In den letzten Jahrzehnten wurde es als Tonstudio genutzt, und wir sind dabei, diesen Saal als Kino wieder funktionsfähig zu machen. Der Verein verfügt über eine vollständige technische Ausstattung (35 mm, auch 16 mm) und die Digitalisierung wird integriert. Möglichst noch in 2014 wollen wir wieder Filme zeigen! Dieses Produzentenkino ist ein Juwel, sicherlich einzigartig in der ganzen Bundesrepublik, und mit entsprechenden Investitionen muss es möglich sein, die Saaltüren einer breiten Öffentlichkeit zu öffnen.
Wir denken auch an Lesungen, Konzerte und Kleinkunst jeglicher Form. Vom Foyer aus, also bevor Sie den Saal betreten, werfen Sie einen Blick durch eine Plexiglasscheibe auf die gesamte Projektionstechnik. Das ist auch für Jugendliche spannend, endlich einmal zu sehen, wie Kino funktioniert und das Flimmern Live zu erleben!

Das hört sich alles sehr schlüssig an, dennoch möchte ich fragen, was das kosten soll und wieviel Zeit Ihnen zur Verfügung steht?

Wir haben Machbarkeitsstudien erstellen lassen, und ein ortsansässiger Architekt hat konkret die Sanierungsmaßnahmen in Euro ausgerechnet. Zurzeit ist davon auszugehen, dass der Verein höchstens über ein Drittel des Gesamtvolumens verfügt. Zwar haben wir Gespräche geführt, um weitere Förderer für unser Projekt zu finden, dennoch ist die Situation zurzeit die, dass eine Lücke von ca. 250.000 Euro in der Finanzierung klafft. Gespräche laufen noch und wir sind guten Mutes, dass wir noch weitere Gelder erhalten. Wir sind auf dem richtigen Weg, unsere Ziele erreichen wir step by step.
Bendestorf befindet sich in der Metropolregion Hamburg. In dieser Region gibt es kein Filmmuseum mit gängigen Öffnungszeiten. Wir haben hier die einmalige Chance, eine mediale Einrichtung zu offerieren, die einerseits dem Filmschaffen in Bendestorf Rechnung trägt und sie dokumentiert und andererseits die gesamte Bandbreite der medialen Entwicklung - auch im TV-Bereich - transparent macht. Wir möchten einen Bendestorf-Preis auszuloben für filmische Projekte, die dann in Bendestorf produziert werden und dadurch junge Talente an das Medium Film heranführen. Es gibt heute so viele Möglichkeiten, filmisch unterwegs zu sein, und wir wollen dabei sein.

Welche Aktionen sind das konkret?

Ich denke an Jugendliche, die heute schon per Smartphone Kurzfilme herstellen. Diese könnten bei uns in den Workshops technisch bearbeitet werden und dann auf großer Leinwand im Produzentenkino gezeigt werden. Daraus ergeben sich dann weitere Möglichkeiten des Schaffens. Vielleicht entsteht damit bei uns in B. ein neues Regietalent wie Rainer Fassbinder oder ein Neo-Fritz Lang. Herr Malleskat, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Walfried Malleskat, 63, Kunst- und Medienpädagoge, Leiter des Filmmuseums Bendestorf www.jesteburg.de/kunstkultur/ filmmuseum-bendestorf und Vorsitzender des Freundeskreises Filmmuseum Bendestorf e.V. Der gebürtige Hamburger lebt und arbeitet seit 1999 in Bendestorf.

Barbara Derboven, 62, freiberufliche Konferenzdolmetscherin und Filmmoderatorin, INTERFILM-Mitglied, Mitglied im BFI Britischen Film-Institute Berufswohnsitz Hamburg www.derboven.com
Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, den 17. September 2014 um 11:58 Uhr